Die Zeit nutzen, meine Zeit, der ich
weder Flügel geben
noch Abstand gewähren kann.
Sie läuft Seite an Seite mit mir, eine
Synchronschwimmerin, die keinen
Einsatz versäumt,
fast zu schön um perfekt zu sein.
Wir alle haben Angst vor diesem ungewissen Ende,
den Jahrmillionen, die vor uns liegen, neben
uns, unter uns.
Ich erinnere mich plötzlich gewesen zu sein,
aus Dunkelheit, um Licht ringend, aus
unbekanntem Schlaf, tief, und ich weiß,
dass ich mich fragte, woher ich komme, unvorstellbar,
so früh war ich, dass ich bezweifle Sprache
gekannt zu haben, es war fast bevor ich wusste,
dass ich bin.
Seitdem,
über all die Jahre hinweg,
finde ich immer mehr meine Mitte, nähere
mich Stück für Stück, versuche
meinen Kern zu schälen,
meinen Anfang und mein Ende
unbestimmt zu balancieren.
***
Der Himmel hat sich verspätet, Gedichte von Martin Dragosits, Arovell Verlag, 2010
Zwölf Kapitel über Glück, Sehnsucht, Träume, Zorn und Krieg sowie menschliche Eigenheiten, über Fragen und Antworten, die sich daraus ergeben. In seinem eigenen und für ihn charakteristischen Tonfall, einer Sprache mit Wiedererkennungswert, die in den letzten Jahren zu zahlreichen Veröffentlichungen in verschiedenen Literaturzeitschriften in Österreich und Deutschland geführt hat. Auf 150 Seiten breitet der Autor einen Kosmos aus, in dem Götter, Abwesenheitsagenten, Berater, Außerirdische, Naturwissenschaft und weltliche Zustände neben- und übereinander existieren, mit vielfältigen poetischen Mitteln befragt.
Weiterführend → Poesie ist das identitätsstiftende Element der Kultur, KUNOs poetologische Positionsbestimmung.