Buchobjekte und Malerei • Revisited

Uwe Albert ist ein Spieler. Er tut zwar so, als sei er ein Sportler. Rennt mit dem Boot auf dem Strom rum, um die Enten auf dem Wasser zu beobachten und die Schnepfen am Ufer. Aber er ist ein Spieler.

Selbst die Selbstvergessenheit beim Spiel führt unweigerlich zu einem Lernergebnis. Das führt zu Botschaften aus der Erheiterung oder denselben aus Ängsten. Beides sehen sie hier. Albert stellt seine Ängste an die Wand und versteckt seine Erheiterung hinter der Borke. Er ist ein öffentlich Geängsteter und ein heimlich Erheiterter.

Die kunstwissenschaftliche Einordnung interessiert mich hier wenig. Hier gibt es Spannenderes zu entdecken. Alberts Fantasie beispielsweise, die sich nicht aus dem Nichts erhebt. Albert sagt, er arbeitet nach einem Seherlebnis. Er nimmt bewusst, unbewusst etwas wahr und dann entstehen bei ihm Bilder. Sehr poetische Bilder in Büchern wie dem „Eismond“ beispielsweise. Ich gestehe ihm gar etwas Anderes noch zu: Das Wissen um altes, magisches Denken. Er gibt den Dingen eine Bedeutung, die sie nur ansatzweise in sich haben, die er aber erkennt und konkretisiert, verstärkt und sie so zu etwas Eigenem werden lässt. Alberts Fantasie arbeitet außerhalb des Zeitgeistes und lenkt so den Fokus auf die Verwundbarkeit dessen, was lebendig ist.

Albert lebt gefährlich. Er wohnt in einem ausgehöhlerten Stück eines Baumstammes, in dessen Wände er Regale für eine kleine Bibliothek schnitzte, und besieht sich die Welt aus einem Astloch. Sie ist seltsam, sagt er. Die Welt meint er. Hierinnen ist es rund und behaglich, sagte er.

Ich lebe in diesem Baumstück, weil ich hier meine Träume bewahren kann, sagte er. Die Menschen sprechen von einem Überlebenskampf, wenn sie über ihre Erfahrungen reden. Der scheint mir so real, wie der real existierende Sozialismus. Meine Erfahrung ist: Nicht der Träumer, vielmehr, wer nicht zu träumen vermag, lebt in einer Scheinwelt. Das war die zweiundvierzigste These. Wieso überspringst du so viele Thesen, fragte ich ihn. Weil sie nicht real sind, antwortete er. Ich habe sie nur aufgeschrieben. Das hat sie geadelt. Aber deshalb sind sie noch lange keine Realitätsbeschreibungen. Die Thesen sind Trugbilder, die einem die Welt ein wenig besser erklären wollen. Doch weil sie Trugbilder sind, verändern sie sich ständig. Wie die Welt. Du kannst nichts festhalten. Hältst du etwas fest, kannst du zuschauen, wie es dir zwischen den Fingern wegaltert.

Ich kann nicht ständig umziehen. Das sind zu viele Bilder. Es sind überhaupt viel zu viele Bilder in der Welt. Viele von ihnen sind heimatlos. Ich fange sie ein und gebe ihnen in meinen Arbeiten ein Zuhause.

 

 

Weiterführend

Lesen Sie auch bitte den Essay von Holger Benkel über die Arbeit von Uwe Albert. Zum Thema Künstlerbucher lesen Sie bitte auch den Artikel von J.C. Albers. Vertiefend zu ‚Alphabetikon‘ lesen Sie bitte das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.