Ich seh schon wieder gelb – oje. Entweder ist es der Postbote, der zu spät kommt, die angeblich falsch adressierte Büchersendung zurückbringt, oder es sind Goethe, Schiller und sonstige Vertreter aus der literarischen Untotenwelt, die Reclam – welch eine Name! – in 3456. Auflage unters Volk bringt. Aber was ich da in Händen halte – postkartenformatig, gelb, geheftet – ist äußerlich wie innerlich nicht so blassgelb wie die berühmten literarischen Schulhefte des Leipziger Verlages.
Ich spreche von SuKuLTur, einem kleinen Berliner Verlag, der außergewöhnliche Bändchen macht. Die gelben Bändchen – wunderbar leicht und klein, so richtig in die Tasche zu stecken und in der U-Bahn oder im Wartezimmer des Arztes zu lesen – haben gewichtige zeitgenössische Autoren als Geburtshelfer. Stefan Heuer, Ann Cotten, Adrian Kasnitz oder Tanja Dückers, um nur einige zu nennen, haben hier auf wenigen Seiten der ›kleinen Literatur‹ viel Gutes getan. Zwischen 16 und 24 Seiten zählen die Bändchen, die zum Schleuderpreis von je einem Euro ihren Weg zum Käufer finden. Entweder als Automatenstücke wie Knuspertüten oder Zigaretten oder über den Buchhandel oder über das Internet (ich bin so nett und nenn hier mal die Adresse: www.sukultur.de).
115 Bände haben Torsten Franz und Marc Degens, die 1996 den Verlag gründeten (2000 stieß Frank Maleu hinzu und komplettierte das Verleger-Dreieck) bislang verlegt. Es gibt sogar eine Box mit den Bänden 1–100, ein richtig schöner Schuber mit 100 Leseheften, limitiert und nummeriert, auf 222 Exemplare beschränkt: Preis: ruinöse 111 Euro.
Nicht beschränkt scheinen die Herausgeber zu sein. Sie bringen gute Literatur häppchenweise, in kleinen, verkaufbaren Auflagen und in einer schönen Gestaltung heraus. Und das zu wahrlich unschlagbaren Preisen.
Stefan Heuers Das dunkelgrüne Körperteil ist einer der jüngsten Bände. Drei Mini-Geschichten, vom irrsinnigen Selbstzerstümmler aus Autoliebe über eine merkwürdige Führerscheinprüfung bis zur ebenso merkwürdigen Liebeserklärung per Schneepinkelei reicht die Palette. Es müssen schon besondere Gedichte oder Geschichten sein, die SuKuLTur verlegt. Und das ist gut so.
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Ein Porträt von Peter Ettl und der Edition Silver Horse finden Sie hier. – Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.