In Mainz etablierte sich eine Veranstaltung, welche die Vitalität der schwarzen Kunst in einem bunten Zufallsraster spiegelt. Alle zwei Jahre wird die Gutenberg-Stadt für vier Tage zum Treffpunkt der Minipressen, Kleinverlage, der Handpressendrucker, Buchkünstler und Autoren. Die Mainzer Minipressen-Messe hat sich aus bescheidenen Anfängen zur Internationalen Buchmesse der Kleinverlage und künstlerischen Handpressen entwickelt. Eine Verkaufsmesse mit ausgedehntem Rahmenprogramm, in der sich zum Teil gänzlich unvereinbare Gegensätze nebeneinander präsentieren. Pressendrucker hier und Zeitschriftenmacher da, Künstler auf der einen und Käuze auf der anderen Seite: Die Chemie der Menschen, die aufeinander treffen, wandelt sich von Messe zu Messe. Das macht ihre Lebendigkeit aus.
Die Idee zu einer derartigen Messe hatte Victor Otto Stomps 1953. Selbst Inhaber der Verlage Rabenpresse, Eremitenpresse und Neue Rabenpresse, ist er bis heute ein Vorbild für die, die abseits breitgetretener Verlegerpfade nach Talenten suchen, die eine Förderung lohnen. Sie schaffen Buchkunst, die uns hoffen läßt, daß sie die Zeiten überdauert. Über die Idee zur Messe kam Stomps jedoch nicht hinaus, es dauerte weitere 10 Jahre, bis der Herausgeber der Kyklos-Presse sich des Projektes annahm und die Frankfurter „Literarische Pfingstmesse“ aus der Taufe hob. 1963 griff er das Konzept auf und veranstaltete in Frankfurt die 1. Literarische Pfingstmesse. Vorgestellt wurden erstmals einer größeren Öffentlichkeit Publikationen der Underdogs, Außenseiter, Einzelgänger, Selberdrucker. 1964 folgte die zweite literarische Pfingstmesse, 1968 die dritte. Die Messe sollte die „aktuellen, literarischen, künstlerischen und politischen Tendenzen der Gegenwart dokumentieren“. Die dritte dieser Messen 1968 war jedoch zugleich die letzte. Obgleich die Messe im Jahre 1968 sehr erfolgreich war, gab es keine weitere Veranstaltung in Frankfurt.
Norbert Kubatzki, kurz „Kuba“, ein Mainzer Kleinverleger, interessierte weniger die Auswahl als er 1970 die Idee einer Messe für Kleinverlage übernahm und in Form der Mainzer Minipressen-Messe aus der Taufe hob. 90 Aussteller zeigten ihre Produkte, rund 9000 Besucher kamen. Seither kommt alle zwei Jahre eine wachsende Zahl von Ausstellern in die Gutenberg-Stadt Mainz, um ihre Version von guten Büchern und Drucken zu präsentieren.
Im Laufe der Jahre hat sich vieles gewandelt und entwickelt. Ein Prinzip ist geblieben: „Eine Messe ohne Zensur…“. Jeder Kleinverleger kann mitmachen. Wie sehr sich die Aussteller in ihren Erzeugnissen auch unterscheiden – eines ist ihnen allen gemeinsam: sie betreiben die verlegerische Tätigkeit nicht des geschäftlichen Erfolges wegen (auch wenn dieser durchaus willkommen ist), sondern aus Leidenschaft, Lust und Überzeugung, mit Wagemut und Spaß am Experiment.
Inzwischen wurde die Mainzer Minipressen-Messe mit etwa 360 ausstellenden Kleinverlagen und durchschnittlich 10.000 Besuchern zur größten Buchmesse der Kleinverlage und künstlerischen Handpressen in Europa. Sie ist damit Umschlagplatz neuester Ideen und Trends für den Druck und das Verlegen von Literatur und Kunst geworden.
Anläßlich der MMPM vergibt die Stadt Mainz seit 1979 zu Ehren von V.O. Stomps einen nach ihm benannten Preis „für herausragende kleinverlegerische Leistungen“; seit 1987 doppelt in den Sparten: Handpresse / Buchverlag und Zeitschrift. Er ist der einzige Kleinverlagsförderpreis in Deutschland.
Die 22. Mainzer Minipressen-Messe öffnet von heute bis zum 2. Juni 2013 ihre Tore. Neu in diesem Jahr sind Termin und Ort. Erstmals findet die Mainzer Minipressen-Messe an Fronleichnam statt und, auch das ist neu, in der Mainzer Rheingoldhalle. Geblieben ist, dass Sammler, Bibliophile und LeserInnen, aber auch junge Designer, Kreative und QuerdenkerInnen bei der Mainzer Minipressen-Messe fündig werden, denn es ist für alle etwas dabei: vom traditionellen Pressendruck über das eBook bis zum illustrativen Holzschnitt, von der Originallithographie über das handgeschöpfte Papier bis zum qualitativ hochwertigen individuellen Einband, vom liebenswerten Kinderbuch bis zum illustrierten Klassiker, vom Einblattdruck bis zum Künstlerbuch, vom esoterischen Buch bis zum esoterisch-kritischen Buch, von Büchern in Packpapier bis zur Literaturzeitschrift im Hochglanzdruck, vom papiermechanischen Objekt bis zum dreidimensionalen Popup, von der Publikationsinitative bis zu Poetry Slam, von Autorentheorie bis zu Road Movie, von der persönlichen Biographie als Buch, Hörbuch oder Film bis zu print on demand, von Klassik bis Comic, von regionalen Autoren bis zu international gefeierten AutorInnen, von bibliophilen Ausgaben bis zu Fotokarten, von mittelalterlicher Buchmalerei bis zu Kalligrafie, von Pop Art bis Metafiktion – das alles und noch vieles mehr finden Sie auf der Minipressen-Messe. Verlage, AutorInnen, Handpressen, Galerien, Editionen, Offizinen, präsentieren auf dieser besonderen Buchmesse aktuelle Produktionen. Dazu gibt es Ausstellungen, Workshops, Performances, Seminare und Lesungen.
Donnerstag, 30. Mai 2013
Messeöffnungszeiten: 14.00 bis 19.00 Uhr
14 Uhr Eröffnung
Eröffnung der Messe und Verleihung des V.O. Stomps-Preises der Landeshauptstadt Mainz durch Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse
Musikalische Begleitung durch Manolo Lohnes
> Messezelte
10.00 – 19.00
Marathonlesungsprogramm der ausstellenden Verlage im
>Lesezelt vor der Rheingoldhalle und
Hohe Literatur: Autoren lesen auf der Empore in der
>Rheingoldhalle
20.00 Lesung
Poetryslam der Minipresse
>Ort: Gutenberg-Museum, Vortragssaal
Mehr zum Slam und Teilnehmer…
Organisiert von Ken Yamamoto
Anmeldung zum Slam unter: poetryslam.mainz@gmail.com
Freitag, 31. Mai 2013
Messeöffnungszeiten: 14.00 bis 19.30 Uhr
Seminarprogramm im Mainzer Rathaus (Erfurter- und Haifa-Zimmer)
Die Teilnahme ist kostenlos und ohne Voranmeldung für jedermann möglich.
8.30-10.00 Seminar
Der Kleinverlag und das Urheberrecht im Internet und bei eBooks.
Dr. Jan Peter Müßig (Mainz)
10.30-12.00 Seminar
E-Books Herstellung und Vertrieb
Miriam Hofheinz (Fa. Bookwire, Frankfurt)
8.30-10.00 Seminar
Das moderne Antiquariat heute
Lothar Wekel (fourierverlag, Wiesbaden)
10.30 – 12.00 Seminar
Digitales Publizieren/Apps – sowie Marketing für Verlage
André Kaufmann (Fa. Mercator, Köln)
14.00 bis 19.00 Lesung
Marathonlesungsprogramm der ausstellenden Verlage im Lesezelt vor der >Rheingoldhalle und
„Hohe Literatur“: Autoren lesen auf der Empore in der
>Rheingoldhalle
20.00 Lesung
Werner Geismar: „Cattenom – Das Ende einer Laufzeit“ (Doku-Thriller)
Lesung des Gardez! Verlag Michael Itschert im Rahmen der MMPM
> Buchhandlung Bukafski. Eintritt frei.
20.00 Lesung
Seit über zehn Jahren packt der Lichtwolf als Zeitschrift trotz Philosophie zu jeder neuen Jahreszeit das Gute, Wahre und Schöne in einen Mixer und serviert das ganze mit Schirmchen und einem Schuss Rum. Das Beste aus zehn Jahrgängen des fröhlichen Wissenschaftsmagazins, das es im Kapitalismus gar nicht geben dürfte.
Eine Veranstaltung der Zeitschrift Lichtwolf im Rahmen der Minipressen-Messe.
>Antiquariat am Ballplatz
Eintritt: 5 EUR
Samstag, 1. Juni 2013
Messeöffnungszeiten: 10.00 bis 19.30 Uhr
10.00 – 19.00
Marathonlesungsprogramm der ausstellenden Verlage im
>Lesezelt vor der Rheingoldhalle und
Hohe Literatur: Autoren lesen auf der Empore in der
>Rheingoldhalle
11.00-12.00 Lesung
Lit.Streetview – 3Autorinnen und 5 Autoren lesen eigene Texte
Eine Veranstaltung des VINSCRIPT´- Verlages in Koop mit der MMPM
>Druckladen des Gutenberg-Museums (Seilergasse)
12.00- 14.00 Workshop
Sandra Uschtrin: Wie finde ich einen Verlag für mein Manuskript?
>Rathaus der Landeshauptstadt Mainz / Erfurter Zimmer
Eine Veranstaltung des LiteraturBüro Mainz in Kooperation mit der MMPM
13.00- 17.00
Kinderprogramm mit DIMIDO
Kinder arbeiten mit Papier und Büchern
>Kinderbereich beim Café Zelt
20.00 Beamung und Musik
Wolfgang Buechs, Leo Leowald, 18 Metzger und Harald „Sack“ Ziegler „Minibar – Strips und Loops“
Eine Veranstaltung des LiteratuBuero Mainz e.V. in Kooperation mit dem Staatstheater Mainz
> Staatstheater Mainz/ Deck 3
Eintritt: 9,50 €, 4,75 € ermäßigt
Sonntag, 2. Juni 2013
Messeöffnungszeiten: 10.00 bis 17.30 Uhr
10.00 – 17.00
Marathonlesungsprogramm der ausstellenden Verlage im
>Lesezelt vor der Rheingoldhalle und
Hohe Literatur: Autoren lesen auf der Empore in der
>Rheingoldhalle
11.00 – 16.00
Kinderprogramm mit DIMIDO
Kinder arbeiten mit Papier und Büchern. Mehr zum Kinderprogramm…
>Kinderbereich beim Cafezelt vor der Rheingoldhalle
Ausstellungen zur Messe:
Die imaginäre Bibliothek. Arbeiten des Künstlers Hannes Moeller
>Gutenberg-Museum
Sonderaktionen an mehreren bzw. allen Messetagen:
Papier schöpfen mit Johannes Follmer /Museum Papiermühle Homburg
>Rheingoldhalle im Eingangsbereich
„Drucken direkt“ Bernhard Dorn / Drucken und Lernen, Raunheim
> Rheingoldhalle im Eingangsbereich
Donnerstag, 30. Mai 2013
Messeöffnungszeiten: 14.00 bis 19.00 Uhr
Weiterführend →
Obwohl die nonkonformistische Literatur ehrlich und transparent zugleich sein wollte, war gegen Ende der 1960er nur schwer zu fassen, die Redaktion entdeckt die Keimzelle des Nonkonformismus in der die Romantiker-WG in Jena. Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier (und als Leseprobe ihren Hausaffentango). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge, produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Inzwischen hat sich Trash andere Kunstformen erobert, dazu die Aufmerksamkeit einer geneigten Kulturkritik. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen, der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Jürgen Kipp über die Aufgaben des Mainzer Minipressen-Archives. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.