In Galauniform kam er dazumal nach Berlin, einen berühmten Kapellmeister zu porträtieren. Mopp kam in Gala. Das heisst in einem schlanken langen Gehrock und sehr hohen eleganten Samtkragen. Ein artiger Abbé; ein Ritter zugleich, küsste den Fraün respektvoll die Hand.
Und da er aus Wien nach Berlin kam, wenn auch kurz, erfreute er uns alle in unserer alten Heimstätte, dem Café des Westens. Wo es uns auch am Morgen hintrieb, ins Café des Westens kehrten wir heim.
Mopp (Max Oppenheimer) gestern 40 geworden, gratulierte ich abends hier im Selekt zu seinem dreissigsten Jahre. Wien konservierte, bemerkt jemand in einer Sofa-Ecke nahe von unserem Tisch. Wiens unbekümmerte Munterkeit erfrischte; ganz Wien (weiland) ein einziger Jungbrunn!
Mopp ist ernster geworden, auch seine Bilder stehen, etliche tief verbrämt, in frühester Zeit entstanden, in ihren Rahmen in den Sälen vieler wiener Althäuser und geben den Wänden Format. Das Porträt des Thomas Mann aus echtperlender Farbe, schmückt Londons Galerie.
Herausgebracht vom gentlesten künstlerischen Verleger Zürichs, unserm Doktor Oprecht, erschien vor kurzem das wundervolle Grossbilderbuch des Mopps: »Menschen finden ihren Maler«. Zwischen weissweisse Buchseiten bewahrt, die Bildnisse grosser Menschen: August Strindberg, den träumerischen Tiger mit den Lippen einer zarten Frau.
Nicht weit von ihm entfernt: Der Peter Altenberg. Wir beide verehrten uns sehr. Hätte ich nur mein Preisgedicht der Tibetteppich unterlassen zu dichten. Er lag ihm im Wege. Und ich schrieb ihm nach Wien: »Je emsiger Sie, verehrter Peter Altenberg, meinen Tibetteppich demolieren, desto bedeutender gewinnt er an Alterswert.«
Das dritte Porträt, das ich im feinen Buche betrachte – unseren Sternenprofessor Albert Einstein, den mächtigen Sternenguckkasten. So nannte ich ihn gerne. Er guckte so kindlich und bewegte sich so unbeholfen, wo er sich auch hinbegab, ja im eigenen Hause. Denn er blickte eigentlich immer nur in die Sterne und heute noch vom anderen Erdteil der Welt aus. So zeichnete ihn auch Mopp und erinnert mich auch noch an die Eigenschaften der vielen von ihm porträtierten Menschen unserer Zeit.
Doppelt zwischen den Bilderreihen begegnet der Beschaür dem prachtvollen Romancier und Dichter: Heinrich Mann, dem Senor Enrico. Sein Bild könnte am zeremoniellsten Hofe stehen. Mit spanischer Etiqütte malte ihn Mopp.
Ich blättere weiter und erkenne den grössten Schachmeister aller Zeiten: Emanül Lasker. Seinem Schachhaupt entspringen unbesiegbare Schachzüge.
Auf der folgenden Seite: Frank Wedekind, der monumentale Dramatiker. Mopp malte ihn als Mephisto, mit kühlen, aber saphirblaün Augen.
Ich erhole mich eine Weile beim Anblick des eigenartigen gütigen glühenden Komponisten: Arnold Schönberg.
Ebenfalls den engelhaften Musiker Ferrucio Busoni verewigte Mopp.
Viele Buchseiten mit Streichkonzerten folgen, bis auf einmal ein malender Wanderbursche vor seiner Türe Seite steht, der Egon Schiele jung, – verschmäht, beschämt und müde. Schön schreibt Mopp zum Bilde: »Wir hatten beide ein Ziel und waren stolz auf unsere Bedürfnislosigkeit.«
Grosse Freude machte mir das Bild von Franz Werfel, dem ganz ganz grossen Dichter. Ebenso meines herzlieben Freundes königliches Gesicht: Paul Leppin aus Prag, der himmlische Romane schrieb der Welt.
»Aber Leppin befindet sich ja gar nicht in meinem Buche: Menschen finden ihren Maler.« Stellt mich Mopp höchst erstaunt zur Rede. »Aber gemalt haben Sie ihn doch mal, Mopp.« Und ich seh ihn überall!
In Chaosnuancen malte Mopp Karl Sternheims stürmende dunkle Augen und von Joseph Szigeti zeichnete er ein musikalisches Porträt.
Der Maler Mopp zerfliesst leise in Geigen und Geigenbogen und Geigensaiten: Die Amati …
Und weiter nun ein drittes Musikbildnis: Karl Flesch und seine Kapelle. Trance …
Attention! Der dichtende Weltkonsul: Thomas Mann.
Und auf der letzten Seite seines Buches: er selbst, der Maler Mopp. Auf den Zeichenbogen vor sich wie auf den weissen Tasten spielend, zeichnet er eine ernste Fuge. Er zerfliesst, – um sich ganz zu finden.
Mopp, (Max Oppenheimer) ein »musikalischer« Maler. Es beweisen seine mannigfachen unendlich liebreich gemalten Orchester-Streich- und Kammerspielkonzerte. Gerade wie er die Musik malt! Es sind Schöpfungen, dessen Farben ich – lausche. Es streiten sich die Zaubersaiten des Cello, mit den Violinen, um schliesslich versöhnend zu schluchzen; farbenschluchzende Töne hinschwingend zur Ewigkeit.
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Essays von Else Lasker-Schüler. Mit einer Einbandzeichnung der Verfasserin. Verlegt bei Paul Cassirer in Berlin 1920
Weiterführend → Lesen Sie auch KUNOs Hommage an die Gattung des Essays.