Als Hartwig Mauritz im November 2012 den Dresdner Lyrikpreis erhielt, immerhin einen der bedeutendsten Lyrikpreise des Landes, freute ich mich. Für ihn und für die verdiente Auszeichnung eines großartigen Dichters, dessen leise Stimme ich spontan wieder im Ohr hatte. Ich hatte Mauritz lange Jahre nicht mehr getroffen, war immer mal wieder im Internet und in Anthologien über ihn gestolpert und war immer wieder so beeindruckt wie an jenem Herbstnachmittag Ende der Neunziger, als ich ihn zum ersten Mal traf und zum ersten Mal hörte, wie er eines seiner Gedichte vorlas in einer lokalen Autorengruppe, die sich regelmäßig traf und Texte der Mitglieder besprach.
Mauritz‘ Stimme ist tatsächlich leise wenn er liest, ich meine das nicht nur im übertragenen Sinne. Leise, sanft, zurückhaltend, dabei ihrer Sache aber sehr sicher. Es klingt, als würde er, wenn er liest, in die Welt des Gedichtes hineintauchen, sich wieder so darin verlieren wie zu dem Zeitpunkt als er es schrieb. Das passt zu seinen Gedichten, die ebenso leise und sanft sind, mit einer sehr genauen Sprache, die kleinste Details über und unter der Oberfläche erfasst, die dünnen Flächen und Schichten der Realität und der Geschichte durchdringt.
Mauritz, 49, hat Elektrotechnik studiert und unterrichtet heute technische Fächer in Aldorf, und zweifellos spürt man seine Affinität zu diesen Dingen auch in seinen Gedichten. Im Gegensatz zu all jenen, die bloß von dem begeistert sind, was heute technisch möglich ist (Stichwort digitale Revolution), gehört Mauritz zu jenen, die verstehen, warum es möglich ist, wie es funktioniert, und er kennt auch die Geschichte dahinter und lässt sie in seine Verse einfließen. Seine Gedichte aber sind keineswegs technisch im Sinne von kalt, wie man nun vermuten könnte, sondern ganz nah am Leben, das von dieser Technik maßgeblich mitbestimmt wird, das für viele heute ohne sie gar nicht mehr vorstellbar wäre.
Seine Themen sind vielfältiger. Die deutsche Geschichte, die auch eine Geschichte seiner Familie ist, flammt auf, ein gemütlicher Nachmittag mit den Großeltern ist im Gedicht ein reflektiertes Panorama von Schuld und Erinnern und Verdrängen. Schnappschüsse einer Ägyptenreise verflechten die Eindrücke des Touristen mit dem Historischen, Landschaften werden zu einem „museum abgelegter haut“; die Erinnerung zeigt eine „Kindheit vor Anbruch des Farbfilms“, und „großvater verschwindet im eigenen gesicht / dreht runden ums licht“. Überhaupt, diese Sprachbilder, die so greifbar sind wie Erinnerungen im Traum, sie haben mich schon damals fasziniert, vor über zehn Jahren. Diese enorme Assoziationskraft, die sich in den Texten findet, in jedem Gedicht gleich mehrere Verse, die hängen bleiben, sich tief einprägen, die das eigene Gedächtnis zu den unmöglichsten Begebenheiten wieder rauskramt. Das ist eines dieser Bücher, in denen man auch nach dem zehnten Lesen noch etwas Neues entdeckt.