Man hat A.J. Weigoni vorgeworfen, sich mit Zombies an der Erzählweise von Robert Altmans Short Cuts orientiert zu haben. Er reagierte darauf aufreizend gelassen:
„Es ist immer fragwürdig, Literatur thematisch einzuordnen, zudem noch dem Film unterzuordnen; aber solange es die Leute sind, die ›Nashville‹ nicht kennen, ist es nicht eigentlich relevant.“
Dies hat sich nun geändert, dieser Klassiker ist auf DVD zu besichtigen. Und Nashville ist in der Tat die Blaupause für den dramaturgischen Kunstgriff, dem Publikum wechselnde Identifikationsfiguren anzubieten, das Ensemblespiel und die Figurengruppen zu einer Filmhandlungzu verknüpfen, wie bei den Copycats Babel von Alejandro Gonzáles Iñárritu, Chungking Express von Wong–Kar–Wai oder L.A. Crash von Paul Haggis. Ganz zu Schweigen von den vielgelobten Short Cuts, den man nun ohne Übertreibung als Eigenplagiat bezeichnen kann.
Die Blaupause
Der einzige amerikanisch Autoren-Filmer Robert Altman hat eine multi character form geschaffen, die im Gegensatz zur konventionellen Trennung in Haupt– und Nebenrollen auf die Leistung eines Ensembles setzt, aus dem keine einzelnen Schauspieler hervorragen. In diesem Klassiker führt er Durchschnitts–Menschen mit allen Sehnsüchten und Frustrationen vor. Sie sind alle verbunden, ihre Empfindungen über Freude und Leid ähneln den unseren, und dabei können wir das andere Bewußtsein nur für immer entkommende Sekundenintervalle durchdringen. Altman taucht mit der Kamera in Stadt Nashville, Tennessee, ein und zeigt Augenblicke aus dem Leben unterschiedlichster Personen. Kunstvoll verschlungene Episoden fügen sich zu einem apokalyptischen Monumentalgemälde, ein Sittenbild aus dem 20. Jahrhundert. Der brillanten Regie verleiht ein herausragender Reigen prominenter Darsteller zusätzlichen Reiz. Es ist ein perfekter Film über kulturelle Codes und die Schwierigkeiten der Verständigung.
Nashville, ein Klassiker auf DVD
›Nashville‹ spielt nicht zufällig zur Zeit der 200–Jahr–Feier der USA, der Wahlkampf eines Präsidentschaftskandidaten tobt, überall tummeln sich Country–Stars oder solche, die es werden wollen. Und es gibt die ganz normalen Einwohner, die mit Politik und Musik nichts zu tun haben wollen. Die Figuren des Films bewegen sich fünf Tage durch Nashville, als die Country–Musik ihren Zenit zu überschreiten beginnt. Selten wurde dem Zuschauer so plastisch, eindringlich und schonungslos die Abdankung des Leviathan, seine Kapitulation vor Korruption und Erpressung, dumpfer Gewalt und seelenloser Aggression, vor Augen geführt. Als roter Faden zieht sich die Vorbereitung eines Konzertes im Rahmen des Wahlkampfes eines fiktiven Politikers durch den Film. Musikalische Auftritte in der Grand Ole Opry, kleinere Clubkonzerte oder Empfänge bündeln die stark episodische Handlung, da hier mehrere Protagonisten aufeinander treffen. Der Blick von außen wird dabei durch die von Geraldine Chaplin hinreißend gespielte britische Journalistin repräsentiert: „Im Opal from the BBC“.
multi character form
Robert Altman verknüpft unangestrengt Geschichten, Träume und Schicksale von 24 Menschen, die in Nashville die Wege kreuzen. Unter den Protagonisten befinden sich ein fiktiver Plattenmagnat, eine fiktive Country–Star–Sängerin, Musikjournalisten und Nebenfiguren, die versuchen innerhalb der Country–Musik–Szene Fuss zu fassen. Großartig die His-Bobnes Parodie von Keith Carradine (der Song gewann einen Oscar!). Altman demonstriert mit diesem Film gleichermassen seine Zuneigung wie auch deutliche Kritik am System der Populärkultur. Bereits 1975 greift Altman das Phänomen der Starlet und Möchtegernstars auf, die zu jedem Preis, ob talentiert oder talentlos, ins Musikgeschäft integriert werden möchten. Der Film skizziert fiktiv, aber in die Realität übertragbar, den rüden Umgang von Plattenbossen, das eitle Verhalten von Musikjournalisten und die teilweise sehr egozentrischen Eigenheiten der Stars. Herausgekommen ist ein vielschichtiges und komplexes Porträt Amerikas in den 1970er Jahren, das die Hybris dieser Supermacht bloßlegt.
Ist the sound, stupid
Was den Film nicht nur sehenswert, sondern auch außerordentlich hörenswert macht ist die Tonspur, bei der die 24–Kanal Aufnahmetechnik für die Dialog–, Atmo– und Tonspuren des Films genutzt hat, Musikvertonung und der Umgang mit Dialogen ergänzen die Montage und vertiefen die einzigartige Atmosphäre, die Altman kreierte.
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Nashville, 1975, Regie: Robert Altman. Darsteller: Keith Carradine, Henry Gibson, Lily Tomlin, Jeff Goldblum, Ned Beatty, Robert DoQui, Allen Garfield, Shelly Duvall, Scott Glenn, Barbara Harris, Geraldine Chaplin, David Arkin, Barbara Baxley, Karen Black, Ronee Blakley, Timothy Brown u.a.
Weiterführende Links: Kultura-extra, nrhz, fixpoetry. Und inzwischen wurden die Zombies zum Kultschatz erklärt.