Das vorliegende Buch ist jedoch mehr als das historische Dokument einer nie verstummenden lyrischen Stimme von großer Kraft. Es ist in seinen lyrischen Dokumenten des Aufbegehrens gegen eine erstickende Ordnung die unverzichtbare Stimme literarisch-politischer Revolution. Ihr ist zuzuhören.
Georg Scherg (Über Die 53. Woche)
Nach Schöne Aussichten, einem Poem in drei Akten, ist auch Die 53. Woche auf Deutsch in der edition monrepos erschienen. Die Lyrik darin stammt aus den 1970er und 1980er Jahren aus Temeswar sowie im dritten Teil aus den 1990ern bis Anfang 2000. Seite für Seite entpuppt sich Pop als politischer und literarischer Nonkonformist. Über all die Zeit sind seine Gedichte von präzisen Beobachtungen, von einem minutiösen Sprachgestus und nicht selten von radikaler Zuspitzung geprägt. Der Autor hat sich bewußt eingemischt, hat stets die Finger in offene Wunden gelegt.
„Nach der Lektüre glaube ich zu verstehen, daß in Die 53. Woche Gedichte versammelt sind, die aus der Notwendigkeit heraus entstanden sind, der Hoffnungslosigkeit etwas entgegen zu setzen.“, schrieb die Lyrikkennerin Elke Engelhardt. Dieser Band beinhaltet Gedichte aus vier Jahrzehnten, chronologisch angeordnet, zunächst handelt es sich um nahezu ausschließlich in Temeswar entstandene Gedichte, später, ab den 1090er Jahren tauchen andere Orte auf. Daher ist Die 53. Woche auch eine Lebensreise.
„Partir, c‘est toujours un peu mourir.“ (Abreisen, das bedeutet immer auch ein wenig sterben.)
Alphonse Allais
Es scheint in den Gedichten von Traian Pop immer durch, was das Leben in Rumänien für seine Bürger auf die Dauer so unerträglich gemacht hat. Da ist zum einen der allgegenwärtigen Mangel und die Beschneidung existentieller Freiheiten, die Securitate-Bespitzelung und das damit verbundene grassierende Misstrauen, die graue Tristesse im realsozialistischen Alltag und zum anderen der schwer zu ertragenden Widerspruch zwischen dem in Politik und Medien gepflegten, hehren Selbstbild von Nicolae Ceaușescu, in einem sich auf dem Weg ins kommunistische Paradies wähnenden Landes und letztlich dem, was tatsächlich Tag für Tag von den nicht nur die geografischen Grenzen als beengend empfindenden Menschen gelebt werden musste. In Timișoara, der größten Stadt des Banats, war es schon im November 1989 zweimal zu Unruhen gekommen, die jedoch sofort niedergeschlagen wurden. Die Fernsehprogramme Ungarns und Jugoslawiens konnten in Timișoara empfangen werden und wurden von Teilen der Bevölkerung, besonders innerhalb der ungarischen und serbischen Minderheiten, auch verstanden. Die Deutschen waren durch verwandtschaftliche Beziehungen über die Revolutionen in Osteuropa informiert. Das Zusammenleben der Ethnien war im Banat, anders als in Siebenbürgen, weitgehend spannungsfrei. Die rumänische Revolution von 1989 war kein Paneuropäisches Picknick, sondern eine Kette von Demonstrationen, Unruhen und blutigen Kämpfen, die vom 16. bis zum 27. Dezember 1989 in Timișoara, Bukarest und anderen rumänischen Städten stattfand. Sie führte zum Sturz und zur Hinrichtung des rumänischen Diktators Nicolae Ceaușescu und seiner Frau Elena Ceaușescu und zum Ende des realsozialistischen Systems in Rumänien. Der Weg durch den „Mankoismus“ fand ein Ende, 1990 emigrierte Pop mit seiner rumäniendeutschen Frau in die Bundesrepublik und nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an. 2003 gründete er den Pop Verlag.
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Die 53. Woche, Gedichte von Traian Pop. Aus dem Rumänischen übertragen von Gerhardt Csejka, Horst Fassel, Edith Konradt, Johann Lippet und Dieter Schlesak. Edition Monrepos, 2013
Weiterführend → Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.