Der Traum des Kritikers ist es, eine Kunst durch ihre Technik zu definieren.
Roland Barthes
Auch in 2014 setzt KUNO die Reihe mit Twitteratur loser Reihe fort. Diese elektronisch generierte Kunstform scheint inzwischen ein loser Trend zu sein, auf lyrikzeitung.com erfreut uns Hansjürgen Bulkowski regelmäßig mit einer lässig zugespitzten Poetopie. Und die altehrwürdige FAZ hat seit Anfang diesen Jahres den Dreizeiler installiert:
Seine Dreizeiler können ebenso von einem Frosch wie von der Europäischen Zentralbank handeln. Urteile überlässt er dem Leser, von dem er vermutet, dass dieser selbst gescheit genug ist, um zu wissen, was der Fall ist: Kilroy was here.
Twittermeldungen werden allmählich und eher widerwillig als Literatur ernst genommen und erscheinen zunehmend in Buchform – dies ist selbstverständlich befragbar, denn sie verlieren dadurch ihr Spezifikum als Twitteratur, glaubt Julika Meinert in der Literarischen Welt. In solchen Veröffentlichungen zeige sich die irrige Annahme, dass Tweets „entkontextualisiert“ seien, weil ihnen der Rahmen eines Buchanfang und -endes fehlt, meint Meinert:
„Dabei ist der Kontext gerade auf Twitter Nährboden und Existenzvoraussetzung: Nur dass dieser Kontext nicht linear und eindeutig ist, sondern unendlich vernetzt. Die Plattform selbst ist der Kontext, in dem diese Art der Literatur entsteht und funktioniert – und nur in diesem. (…) Es gibt keine Offline-Twitteratur. Keine Twitteratur in Büchern. Nicht mal in E-Books.“
Der in der Schwebe gelassene Sinn, die Produktion von Ambiguität – was für Roland Barthes Brecht im Theater geleistet hat, indem er die Sinnfrage zwischen Bühne und Zuschauerraum neu verteilte – findet sich in der versuchsweise angelegten Kunstform der Twitteratur wieder. KUNO stellte drei Protagonisten dieser Literaturgattung vor und präsentiert seit Anfang des Jahres in jeder Woche einen Auszug aus dem Projekt Wortspielhalle von Sophie Reyer und A.J. Weigoni. Zum Geleit das Konzept der Artisten. Vorbeugend muß man allerdings hinzufügen, daß letztere sich zwar an die Regeln halten, jedoch genau dann dagegen verstoßen, wenn es der Poesie dient;-)
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Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013
Unerhörte Möglichkeiten von Haimo Hieronymus, Kurznovellen, Edition Das Labor, Mülheim 2012
Leben in Möglichkeitsfloskeln von Peter Meilchen, auf Kulturnotizen 2013
Die Zwitschermaschine von Paul Klee ist derzeit zu sehen in der Ausstellung Making Visible, Tate Britain, London. Nach bis zum 9. März.