Prokrastiniert Euch!

Der Alltag ist der grösste Comic-Strip

Urban Gwerder

Der deutsche Comic führt im europäischen Kontext von jeher ein Nischendasein, wird der Markt doch traditionell von der frankobelgischen Konkurrenz dominiert. Jedoch gibt es seit Jahren eine professionelle, vitale Szene, die immer wieder eigenwillige Autoren und herausragende Zeichner hervorbringt. Bob Schroeder gehört seit den Zeiten des Mainzer Dreieck-Verlag dazu. Dieser Comic-Zeichner präsentiert den Müllhaufen als Kehrseite des Kapitalismus. Das Unstete und Exzentrische, das Scheitern und Triumphieren, das sich in seinen unverstellten Comix manchmal fast in Poesie verwandelt. Er zeigt dem Betrachter eine wunderliche Peep–Show, die den Blick in einen Raum voller Pappkameraden öffnet. Der Kern seiner Ästhetik ist die Dezentrierung des Körpers und des Blicks, die Konsequenz daraus ist, eine fast achtlose Großzügigkeit, mit der er seine Einfälle herschenkt, als schöpfte er aus einer unerschöpflichen Fülle. Schroeder besitzt die Gabe, das empfindliche Gleichgewicht zwischen Ironie, Aberwitz und blutigem Ernst zu wahren.

Positionen zwischen Comic-Ästhetik und Narration

Bob Schroeder spürt mit den Mitteln des Comics das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert schon. Die Bilder des Konsums, mit denen Fernsehen, Film, Illustrierte, Zeitung, Mode, Sport oder Beatshow unser Gehirn füttern, zapfen diese Comics ständig Energie ab. Aber sie führen ihr gleichzeitig auch ständig neues poetisches Material zu. Im Zuge der  computergestützten Medialisierung tauchen in Form von Video- und Computerspielen klassische Elemente des Comics wieder auf. Hier wird, ebenso wie in den Comics, eine künstliche Welt bildhaft generiert. In diesem Zusammenhang nimmt es kaum wunder, dass die Bildwelt und Ästhetik des Comics wieder verstärkt in den Fokus des Interesses von Künstlern tritt. Es mag fast nostalgisch anmuten, wenn Künstler sich traditionellen Erzählstrukturen in Form der für den Comic charakteristischen Dichotomie von Bild und Text, von illustrativer Zeichnung und begleitendem geschriebenem Inhalt, annehmen. Dabei wird die allbekannte visuelle Bildsprache aus dem Bereich des Massenkonsums genutzt, weniger um ein Auflösen der Grenzen zwischen High und Low einmal mehr zu postulieren, sondern vielmehr als ein nonchalanter Rückgriff oder eine Appropriation von existierenden Codes der Medienkultur. Schroeder gibt dem Unbedeutenden strenge formale Bedeutung, was wiederum auf die Qualität des vermeintlich Unwichtigen und Trivialen zurückwirkt, es wird emotional aufgeladen, hat so das Potenzial, den Betrachter anzurühren und zum Nachdenken anzuregen.

 

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Aus dem ersten e-comic von Bob Schroeder mit dem charmanten Titel: ‘fett feister frau setzt krematorium in brand. informationsvorsprung reloaded’, 40 geschichten. Hier bestellen.

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