Das ist, was ich bestimme, was von mir übrig bleiben soll. Ein Abdruck meines Schwankens in der Stadt. Ich war hier und ich hatte mich ganz in der Hand.
Martina Hefter
Mit Vom Gehen und Stehen hat Martina Hefter ein vierteiliges Kompendium vorgelegt, das zwischen Bewegung und Stillstand osziliert, zwischen leiblicher Expressivität und skripturaler Anamnese, zwischen Ausgedrücktem und Erinnertem. Wie bei dem Band Nach den Diskotheken merkt man den Gedichten dieser Dichterin an, daß sie eine Perfromerin ist und sich intensiv sich Tanz beschäftigt, sie verbindet in ihren Werken sprachliche mit tänzerischen Elementen. So initiierte in sie 2012 das Projekt Bewegungsschreiber. Dichtung trifft Tanz am Dock 11 in Berlin und gestaltete im August 2013 im Rahmen des Projekts Sprechende Gänge KOOKwalks durch Berlin ein choreografisches Spiel, in dem eine räumliche Installation aus Meinungen und Haltungen zu Gedichten entstand. Und fast zwangsläufig stellen sich dem Leser Fragen wie folgende:
Wie entfaltet sich der Körper im Raum?
Welche Auswirkungen und Rückkopplungen hat das wiederum auf Körper und Raum, auf dessen Inhalt und seine Assoziationen?
Die herkömmliche Gedichtstruktur löst sich bei Vom Gehen und Stehen in einzelne Passagen auf. Hefter verknüpft sie mittels Collage und Montage in thematische Zusammenhänge. Der Ausgangspunkt ihrer Gedichte ist die einzelne Geste, das Darstellen und Äußern eines bestimmten Gefühls. Diese innere Bewegung wurde von Hefter erfragt und gleichsam mit einer erinnerten Handlung beantwortet. Unbeschwertheit und Ausgelassenheit kontrastiert sie mit dramatischen Szenen und rührte so an die letzten Fragen des Menschseins. Viele ihrer Gedichte kann man daher als außerordentlich radikal und bewegend zugleich erfahren.
Das Lebendige in sich entdecken und bewahren. Auf die eigene Stimme hören.
Dieses Bewegungspotential überträgt sich durch die tänzerische Anmut der Sprache auf das Buch. Sie beschäftigt sich mit der Verfaßtheit der Gegenwart, vornehmlich mit den Köpfen und Körpern. Auf jeder Seite werden dem Leser nur zwei Gedichte dargeboten, von denen das erste eine Variation für das zweite Gedicht darstellt. Jedem ihrer Gedicht stellt die Autorin eine Variation zur Seite und webt aus dem Wortbestandteil des einen Textes einen neuen, der ganz andere Räume und Posen erzeugt:
Pferche in dein
Leib-Seele-Verhältnis
den Umriss einer Ente
Die Bedeutung von Hefters Werk beschränkt sich nicht auf eine Erweiterung der Lyrik mit dem Bewegungspotential des Tanzes oder den Verzicht auf eine bestimmte Form, es sind Gedichte der befreiten Körper und des befreiten Geistes. Die Prozeßhaftigkeit und Offenheit ihrer Arbeitsweise ist eine Suche nach dem authentischen Ausdruck. Es gelingt es ihr zudem, Einzelteile unserer Gegenwart zu benennen, die nicht einfach zu benennen sind. Liest man diese Gedichte als Thema und Variation, entsteht bei der Lektüre zwischen diesen beiden Gedichten eine, dritte Relation, der Leser macht bei diesem flotten Dreier die Ergänzungsleistung;-)
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Vom Gehen und Stehen. Ein Handbuch von Martina Hefter. Gedichte. mit beiliegendem Heftchen mit Illustrationen von Andreas Töpfer, Berlin (kookbooks) 2013,