Lob der Textkette

Lyrik gilt gemeinhin als schwierig. Als schwer vermittelbar. Wirtschaftlich gesehen ist Lyrik Unsinn. Lyrik wäre nach ökonomischen Gesichtspunkten schon immer zum Aussterben verurteilt gewesen. Die fragilste der literarischen Formen gilt gemeinhin als deren teuerste, und dies im zwiefachen Sinn: Die Randständigkeit der Lyrik abseits des ökonomischen Gewinns steht in direkter Proportion zu der hohen symbolischen Wertschätzung, mit welcher wie sie auch auf KUNO bedenken. Lyrik scheint ein Gut zu sein, das zugleich sein eigener Marktpromoter ist. Wie leicht sich die Königsdisziplin der Literatur gibt wenn eine spielerische Idee hinter der Vermittlung steckt, beweißt die Textkette.

Lyrik erreicht seit je ihre Leser vorzugsweise über Lyrikanthologien, und oft leisteten diese Lyrikanthologien auch Erweckungsdienste für junge angehende Dichter, die hier ihre Vorbilder und Meister entdeckten und möglicherweise auch die Erkenntnis, daß noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Die Lyrik ist nie homogen, sie resultiert aus zahlreichen Stimmen und Stilen, die manchmal Berührungspunkte aufweisen, manchmal aber auch nicht.

1. Die Textkette beginnt bei Sappho, deren “Brüdergedicht” soeben nach mehr als zweieinhalb Jahrtausenden wiedergefunden wurde.

2. Alle Beiträge der Textkette erhalten eine fortlaufende Nummer, um die Identifizierung zu erleichtern.  Sapphos Brüdergedicht = 0, alle Zahlen die mit 1. beginnen = erste Generation usw. Aus der Nummer kann man also die exakte “Abstammung” ermitteln. Alle Texte, die mit 1. beginnen, gehen auf ein Gedicht von Thomas Brasch zurück (der bislang fruchtbarste Strang).

3. Ab sofort wird Textkette nicht mehr bei Facebook, sondern für alle offen auf den Seiten der Lyrikzeitung betrieben. Die offene Facebookseite bleibt als Diskussionsforum bestehen. Die neue Lösung führt den Probebetrieb weiter. Ziel bleibt es, eine bessere Lösung im Sinne einer interaktiven “begehbaren” Lyrikbibliothek von Babel zu entwickeln.

Vorläufige Regeln

4. Jeder, dem ein Gedicht der bestehenden Textkette gefällt, kann mitmachen, indem er oder sie ein vorhandenes Gedicht mit “like” (für Ausländer: “gefällt mir”) markiert. Schreiben Sie bitte zunächst nur auf dieser Seite einen Kommentar mit folgenden Angaben:

like Nummer, Autor + Titel

(herauskopieren, um Fehler zu vermeiden!)

und Ihren Namen oder Codenamen sowie eine Mailadresse. (Warum nicht mit offenem Visier, Achtung Neuwort: textketten?) Beispiel:

like 1.9.4.2.1 conrad ferdinand meyer: im spätboot, michael gratz, mg@lyrikzeitung.de

5. Der Vorschlagende wird Ihnen nun, falls er die Zeit findet, einen Autor nennen, von dem Sie einen neuen Text auswählen und posten. Wenn Sie mitmachen, erklären Sie sich bereit, anderen Lesern, denen Ihre Auswahl gefällt, einen Autor vorzuschlagen.

6. Eigene Lieblingsgedichte (auch wenn es Ihre eigenen Gedichte sind) haben keinen Platz in der Textkette – außer wenn jemand anderer den Namen Ihres Lieblingsdichters oder Ihren eigenen Namen benennt. Bitte nennen Sie auch nicht Ihren eigenen Namen. Geduld ist die Mutter der Textkette. Wenn wir lange genug verketten, kommt jeder Autor und jedes Gedicht dran. Lesen Sie dazu Jorge Luis Borges: Die Bibliothek von Babel!

7. In der Textkette gilt das Urheberrecht. Geschützte Texte (solche von lebenden Autoren oder solchen, die weniger als 70 Jahre tot sind) dürfen nicht veröffentlicht werden – außer wenn der Lyrikzeitung die Zustimmung des Rechtsträgers vorliegt. Wenn Ihnen ein geschützter Autor zugewiesen wird, wählen Sie ein  Gedicht aus und zitieren Sie es mit den ersten vier Zeilen sowie exakter Quellenangabe, Titel, Buch, Seite oder ggf. Weblink.

8. Jeder Autor und jedes einzelne Gedicht kann beliebig oft nominiert werden. Sie müssen also nicht vorher prüfen, ob Autor oder Gedicht schon vertreten sind.

9. Sie können einen vorgeschlagenen Autor ablehnen und den Vorschlagenden um einen neuen Namen bitten.

10. Sie können jederzeit eine neue Linie eröffnen, indem Sie Text 0 = Sapphos Brüdergedicht auswählen.

11. Erwünscht sind Gedichte in beliebigen Sprachen – mobilisieren Sie ruhig Ihre Freunde, an Ihrem Zweig der Textkette mitzuarbeiten.

Dies sind vorläufige Regeln, mit denen die öffentliche Textkette zumindest starten kann. Kommt Zeit kommt Rat. KUNO wünscht weiterhin gutes Wachstum.