Die „Novelle“ soll eine Heimat für bis dato heimatlos gebliebene Texte sein, weil diese nicht ins 08/15-Schema der Wortindustrie passen.
Wer so apodiktisch formuliert muß schon etwas zu bieten haben. Die neue Lit/Kunstzeitschrift ‚Die Novelle, Zeitschrift für Experimente‘ erinnert mich an die 1980er, als man noch von Hand sogenannte Fanzines schnitzte. Diese analoge Tradition setzten sich auf digitalem Weg mit charmanten Absonderlichkeiten fort. Es sind durchweg Außenseiterpositionen die dort vorgestellt werden. Nach Auskunft der Redaktion war als Untertitel war ursprünglich Zeitschrift für experimentelle Literatur angedacht, aber schnell wurde den Herausgebern klar, daß es um Experimentalität im weitesten Sinne des Wortes geht, und so ist die ZS Novelle in der Weiterentwicklung ihres Profils nicht nur an verschiedenen Textgattungen und -genres interessiert, die fabelhafte Unüblichkeiten zelebrieren, sondern zum Beispiel auch an Menschen oder Tieren mit experimentellem Lifestyle und seltsamen Projekten. Interviews mit Künstlern aller Disziplinen sind ein wichtiger Bestandteil dieser Plattform, aber auch Metaexperimente, fruchtbare Kollaborationen sowie Strickjäckchen im Seltsamkeitskanal, mal auf Teufel komm raus mit Vollgatter, mal mit dem Fingerspitzengefühl eines ultravergeistigten Artiste trés weltfremd. In dieser ZS tummeln sich Sonderlichkeiten und Absonden, hier gehen Äs auf Grundeis und Ös hoch Wand. Hier versammeln sich Interviews, Gedichte, Labyrinthe, Comics, Bildstörungen – und sogar ein paar Seitenzahlen werden geboten. Mit und von: Eugen Egner, Helmut Glatz, Daniel Paul Schreber, Gabriel Barcia-Colombo, Bob Schroeder u.v.m.
Warum man eine Zeitschrift nach einer Literaturgattung benennt, erschießt sich mir allerdings nicht. Auch die Begründung der Herausgeber hinkt etwas: „und vergleichbare Bildungsbürgerpflichten (nichts für ungut) denken, doch man lernt das subtil Subversive dieses Begriffs zu schätzen, nicht zuletzt wegen des Kühnheitsanspruchs, der ursprünglich mit dem Verfassen von Novellen assoziiert wurde.“ Läßt man die Polemik weg, ist die Literaturgattung Novelle eine kürzere Erzählung in Prosaform. Als Form läß sie sich nur schwer definieren und oft nur ex negativo von anderen Textsorten abgrenzen. Hinsichtlich des Umfangs bemerkte Hugo Aust, die Novelle habe oft eine mittlere Länge, was sich darin zeige, daß sie in einem Zug zu lesen sei. Es ist ausserdem eine Form der Erzählung, bei der es um wenige Figuren geht und der Konflikt möglichst schnell zugespitzt wird.
Exkurs zu Vignetten
Wie man eine angestaubte Gattung Frischblut zuführt, hat eine Publikation in der Edition Das Labor vorgeführt. Mit den Vignetten definiert A.J. Weigoni eine Literaturgattung neu. Er praktiziert damit mehr als das Schreiben, diese Novelle ist ein Sich–Einschreiben in die Welt. In den Vignetten wird alles Spätere präfiguriert, es blitzt die Kunst der Verknappung und die Wucht der schmerzhaft präzisen Sätze auf, und schließlich setzt sich aus den Einzelteilen eine konkrete Geschichte zusammen.
Beiträge gesucht
Was der KUNO-Redaktion gefällt ist die Haltung der Herausgeber. Dieses Projekt ist in jeder Richtung unterstützenswert. Die Ausschreibung für #3 der neue Lit/Kunstzeitschrift ‚Die Novelle, Zeitschrift für Experimente‘ läuft noch bis zum 31.05.2014. Die Herausgeber freuen sich, auf Beiträge: autorenbonn@gmx.de
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Vignetten, Novelle von A.J. Weigoni, Edition Das Labor, Mülheim 2009 – Limitierte und handsignierte Ausgabe als Hardcover.
Eine Leseprobe findet sich hier. Und hier. Ein Hörprobe findet sich hier. – Die Aufnahme ist in HiFi-Stereo-Qualität erhältlich über: info@tonstudio-an-der-ruhr.de
Ein Essay findet sich hier. Weitere Links: Poetenladen, Lyrikwelt