Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!
Friedrich Nietzsche
Porn goes Overground. Seit dem Erfolg der umgestrickten Fan-Fiction zur „Twilight Saga“ auf „Fifty Shades of Grey“ von E.L. James, darf man auch im Feuilleton über SM theoretisieren. Anscheinend leben wir in einer Kultur der Schamlosigkeit. KUNO fragt sich in den nächsten beiden Tagen was dies für das Menschsein bedeutet. Es scheint, als braucht es keine Scham mehr, um als moralisches Subjekt zu funktionieren. Und es entsteht eine Literatur die keine Leser mehr braucht, sondern nur noch Follover, das ist praktisch, dann muß man über Literatur auch nicht mehr reden, man kan sie liken. In diesem Online-Magazin präsentieren wir öfter die Mythen des Alltags und interessieren uns für die Wechselwirkung von Emotionen und Marktwirtschaft, den Konsum der Romantik, die Industralisierbarkeit der Gefühle, insbesondere, was die emotionale Bedürfnisanstalt Paarbeziehung betrifft, der in den Erfolg von „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“. An den Sexszenen liegt es mit Sicherheit nicht. Sex ist heute überall ganz leicht konsumierbar. Im Internet, auch in der Literatur, wo es ein seit Jahrzehnten sehr etabliertes Genre von erotischen Romanen für Frauen gibt – mit den Sexszenen läßt sich der Erfolg von „Fifty Shades of Grey“ also nicht erklären. Ich würde sogar behaupten wollen, dass die Sexszenen an diesem Buch das am wenigsten innovative sind. In Wahrheit stellt der Sex nur die Verpackung dar, in der sich die Liebesgeschichte verbirgt. Es ist eine ganz klassische Liebesgeschichte, was den Erfolg vor allem bei einer weiblichen Leserschaft erklärt. Liebesromane sind ein Genre für Frauen. Aber es hat darüber hinaus auch die Dimension eines Selbsthilfe-Buchs. Es funktioniert fast wie ein klassischer Ratgeber. KUNO wollte mehr wissen und sprach mit der Fach-Autorin Lisa Skydla.
Hagedorn: Wenn man Ihre Bücher liest, kommt man zu der Schlussfolgerung: SM-Sex beziehungsweise BDSM, wie es kurz für „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“ heißt, wäre die Lösung für all die Probleme, die Beziehungen heute so oft mißlingen lassen. Ist dieses Genre eine neue Art von Ratgeber?
Lisa Skydla: Meine Romane sind Fiktion, es sind Liebesromane. In der realen Welt misslingen Beziehungen unter SMern, ebenso wie unter Homosexuellen oder eben normalen Menschen. Aber ich bin der Überzeugung, da ich unterhalten möchte, möchte niemand von einer gescheiterten Beziehung lesen, die mit einem gebrochenen Herzen endet. Was wäre das auch für ein seltsamer Liebesroman? Da müsste ich dann schon Dramen schreiben.
Hagedorn: Werden bei dieser Art von Geschichten nicht Geschlechter-Identitäten nach dem Schema verhandelt: Wo er sich nach Symbiose sehnt, wie es dem weiblichen Stereotyp entspricht, könnte man ihre Unabhängigkeit als typisch männlich bezeichnen?
Lisa Skydla: Ich schreibe in der Kombination MaleDom und FemSub, weil ich selbst sub bin und mich in eine Domina z.B. nicht wirklich reindenken kann. Wenn Sie genauer in meine Geschichten schauen, leben diese Frauen ihr Leben im Großen und Ganzen unabhängig. Sie haben Jobs, kümmern sich um ihre Probleme, die sie natürlich auch mit ihren Herren teilen, aber sollte das nicht auch in einer normalen Beziehung so sein?
Hagedorn: Aus einem bestimmten Blickwinken gelesen, scheint SM eine brillante Lösung für die strukturelle Instabilität von Liebesbeziehungen zu sein, was etwa das Problem der Gleichheit zwischen den Geschlechtern angeht. Bietet sadomasochistischer Sex eine Möglichkeit zu mehr Sicherheit?
Lisa Skydla: Lacht…Lieber Herr Hagedorn, ich werde den Verdacht nicht los, dass Sie meine Romane zu ernst nehmen. Sicherheit gibt es in zwischenmenschlichen Beziehungen nie! Schauen Sie in die Romane z.B. von Cherry Adair rein, würden sie daraufhin die These unterstützen, dass alle Probleme gelöst werden, wenn man vor der Beziehung zusammen mit dem Partner auf Leben und Tod kämpft? Was ich sicher sagen kann, dass man mehr Vertrauen benötigt, um SM mit einem Partner zu praktizieren, auf beiden Seiten.
Hagedorn: Was mir bei Stichproben auffällt, ist ein Muster, denzufolge ein ausdifferenziertes verworfenes Vertragswerk. Es gibt in diesem Berührungsgefüge nicht die allerkleinste Unsicherheit, im Gegenteil, mehr Sicherheit fand sich noch nie in einem Liebesroman. Was ist ihr Ansatz?
Lisa Skydla: Mein Ansatz ist relativ einfach, denn ich glaube jeder Mensch wünscht sich einen Partner, dem er vertrauen kann, der für ihn da ist und der ihn beschützt. Dabei ist es egal ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Wie gesagt ich schreibe aus der Perspektive, die ich am besten kenne, nennen Sie mich ruhig faul *smile. Natürlich kämpfen meine Protagonisten auch mit Zweifeln, allerdings nie am Partner, denn es wäre ja ziemlich dumm sich einem Menschen zu unterwerfen, den man anzweifelt. Außerdem gehöre ich nicht zu den Menschen, die etwas bewegen wollen, ich möchte einfach unterhalten. Meine Zielgruppe sind die Frauen oder Männer, die den ganzen Tag hart gearbeitet haben, sich mit Problemen herumschlagen mussten und Abends einfach entspannen wollen. Deshalb kämpfen meine Protagonisten mit so menschlichen Zweifeln wie: Ist das eigentlich noch normal? Soll ich mich darauf einlassen? Will er mich wirklich? (Besonders am Anfang)
Hagedorn: Wenn man ihre Text liest hat man den Eindruck, Sadomasochismus wird als Lösung dargestellt für all die Widersprüche, mit denen wir heute leben. Muß man das als Aufklärungstext verstehen?
Lisa Skydla: Auf keinen Fall! Es sind immer noch Romane. Keiner würde auf die Idee kommen, dass Vampire echt sind, nur weil er einen Roman von Lara Adrian gelesen hat. Ebenso hoffe ich, dass niemand auf die Idee kommt, wenn ich jetzt SMer werde, dann habe ich keine Probleme mehr. Was ich versuche rüberzubringen ist, dass SM kein brutales Draufprügeln ist, sondern sehr viel Gefühl, Vertrauen und unter Umständen auch Liebe bedarf.
Hagedorn: Die Gleichung Sex bedeutet Liebe bedeutet Ehe gilt auch für sie nicht mehr. Aber auch wenn die Frauen aufholen, ist doch zu beobachten, daß viele von ihnen immer noch viel stärker als Männer dazu neigen, eher eine starke emotionale Erfahrung zu suchen als eine sexuelle. Muß diese Erfahrung zwingend einschneidend sein?
Lisa Skydla: Das kann ich so nicht bestätigen. Viele männliche Subs sind extremer als Frauen. Aber etwas Allgemeingültiges kann man hier nicht sagen, wie so oft, wenn es um menschliche Gruppierungen geht. Da ist auch wieder jeder anders. Es gibt Männer und Frauen, die Sex auch im SM-Bereich ohne Liebe oder Beziehung praktizieren und damit glücklich sind. Auf der anderen Seite gibt es eben auch die anderen, die sagen Unterwerfung ohne Beziehung und Liebe, geht nicht. Von daher weiß ich nicht, ob diese Erfahrung einschneidend sein muss oder nicht.
Hagedorn: Kontrolle und Kontrollverlust, das sind genau jener zuverlässige Schraubstock und jenes Ventil, mit denen sich so ein sozialer Widerspruch literarisch ohne größere Krämpfe lösen lässt. Ist das einzige Problem, wie man die Genitalklammern richtig einstellt?
Lisa Skydla: Wenn meine Bücher diesen Eindruck vermitteln, dann sollte ich sofort aufhören zu schreiben. Absolut nein, um einen Kontrollverlust zu erreichen muss vorher eine ganze Menge passieren. Sicher kann man ihn erzwingen und wie oft in meinen Romanen, merkt der passive Part dann, dass der Aktive es gut mit ihm meint. Allerdings betone ich noch einmal, es sind ausgedachte Geschichten. In der Realität würde das böse enden. Schauen Sie Sich einfach historische Liebesromane an, da werden Frauen mit Männern verheiratet aus politischen Gründen z.B., sie hassen sich und die Liebe entsteht im Verlauf der Geschichte. Wäre dann ähnlich oder?
Hagedorn: „Lady, liebe deine Möse!“, sagte einmal Germaine Greer. Eine von der Frau lustvoll erlebte Sexualität gilt gemeinhin als Kennzeichen feministischer Subjektivität. Sehen Sie sich als Feministin?
Lisa Skydla: Noch mal nein. Ich bin einfach der Meinung, jeder sollte sein Leben so leben, wie es für ihn am Besten ist. Auch in der Sexualität. Bei mir ist eben auch ein Teil SM. Ich persönlich würde mir nie anmaßen, irgendjemandem etwas vorzuschreiben. Okay mit Aussnahme meiner Kinder *Zwinkert. Um es noch einmal zu betonen, ich möchte mit meinen Romanen, auch kein Weltbild von devoten Frauen erschaffen. Oder Menschen davon überzeugen, dass alles besser wäre, wenn die Frau sich dem Mann unterwirft. Zumal es absolut nicht so einfach ist.
Hagedorn: Ist es eine Utopie, daß sich seelisches Leiden an einer Beziehung durch körperlichen Schmerz in pure Lust auflösen lässt oder ist ein postfeministische Märchen?
Lisa Skydla: Seelisches Leiden ist ein Begriff, der extrem breit gefächert ist. Um es mal so zu sagen, ich kenne Frauen, die Traumas haben und diese durch ihre SM-Beziehungen kompensieren. Dazu gehört aber nicht nur der körperliche Schmerz, sondern in erster Linie das Auffangen danach. Das Getröstet werden, nach einer extremen/schmerzhaften Erfahrung. Das ist überhaupt das Wichtigste am SM. Es ist ein absolutes No-Go den passiven Part einfach liegen zu lassen. Auf der anderen Seite kenne ich auch Frauen, die mit diesem Versuch bösartig gescheitert sind. SM ist keine Therapie, egal wie man es sieht. Bei seelischem Leiden muss man es genauer definieren, geht es um Verletzungen durch einen Ex-Partner? Geht es um Einsamkeit? Geht es um schlimmere Dinge, wie Vergewaltigung?
Hagedorn: Abschliessend die Frage: Was lesen Sie gern um sich zu entspannen?
Lisa Skydla: Oh ich lese viele verschiedene Bücher. Ich kann genauso gut entspannen, wenn ich Klassiker lese, wie Tolstoi oder Hesse oder auch Cherry Adair, Charlaine Harris, Valerie le Fiery oder Justine Morgan. Wobei ich auch gerne Fantasy lese, wenn es gut geschrieben ist oder Thriller z.B. von Katharina Hönow.
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Wer neugierig geworden ist, die Produktpalette von Lisa Skydla findet sich hier.