Wegbeschreibung

 

Auf dem Weg zu Gott

hielten wir bei McDonald’s

und stopften uns voll

mit Hamburgern,

die wie gepreßte Scheiße aussahen.

Später ließen wir die Postmoderne

links liegen und fädelten uns

in den Strukturalismus ein.

Auch dort fanden wir nicht das,

was wir suchten.

Die Nächte wurden wieder länger

und die Tage kälter.

Bald steht Weihnachten vor der Tür

und von Gott keine Spur, sagtest du.

Aber das war uns eigentlich egal.

Wir sprachen vom Weg als Ziel

und über die Verfremdung der Realität

in der deutschsprachigen Lyrik

des frühen 21. Jahrhunderts.

Die Kriege waren weit weg

und die Rolling Stones

immer noch nicht müde.

Manchmal traten wir

auf die Bremse der Erinnerung.

Aus der Distanz sahen wir

rosafarbene Bilder,

überbelichtet und ein wenig verwackelt.

Die Bärte der Revolution

waren inzwischen grau geworden,

die Gesichter erschöpft

wie die Landschaft.

Durch das Vergrößerungsglas der Metaphern

blickten wir zu den Sternen,

den funkelnden Augen der Metaphysik.

 

 

***

Anmerkung der Redaktion: Dieses Gedicht erschien in der Literaturzeitschrift Matrix 36, die sich schwerpunktmäßig dem Lyriker und Herausgeber Axel Kutsch widmet. Seit 1983 veröffentlicht Kutsch Gedichtbände und ediert Anthologien zeitgenössischer Lyrik im deutschen Sprachraum, zuletzt Versnetze_sechs (Verlag Ralf Liebe). Kutschs Gedichte wurden im Rundfunk (BR, DW, DLF, NDR, SWR, WDR), in deutschsprachigen Literaturzeitschriften, Schulbüchern und Anthologien (Artemis & Winkler/Patmos, Aufbau-Verlag, Beltz & Gelberg, dtv, DVA, Luchterhand, Reclam, Schöningh, S. Fischer) sowie in Australien, Belgien, Frankreich und Kanada veröffentlicht.)

Weiterführend Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.