Über kleine Schätze im lyrischen bzw. prosalyrischem Bereich stolpere ich immer wieder mal, wenn ich meine Bücherregale durchstöbere oder Post mit Literatur bekomme. So fiel mir in diesen Tagen ein rabenschwarzer Band mit gelber Schrift in den Briefkasten: Türkischer Sommer – Lyrik und Prosa in lyrischen Segmenten – von Berndt Mosblech. Der Name des Autors war mir noch bekannt aus fernen Tagen. Achja: Er hatte in den 1970er Jahren – zusammen mit Harald K. Hülsmann – eine Buchreihe in der „Edition Ilex-Konzept“ herausgegeben. Auch bei Jürgen Völkert-Martens früherer Edition „prima vista“ war ein Band Gedichte erschienen: Als wären 24 Stunden ein Tag“. Warum hatte ich seitdem nie wieder von Berndt Mosblech gehört bzw. gelesen? Die Vita im schwarzen Bändchen klärt mich auf. Der 1950 in Duisburg geborene Pädagoge lebt seit vielen Jahren nach einem Unfall querschnittsgelähmt in einem Pflegeheim seiner Heimatstadt. Nun, es gibt angenehmere Arten als Schreibender zu verstummen.
Umso schöner ist es, wenn man von der Literaturwelt nicht ganz vergessen wird. So hat Helmut Braun (wer erinnert sich noch an die breite Palette der Bücher des „Literarischen Verlages Helmut Braun“?) 2011 den „Türkischen Sommer“ als Querschnitt durch das frühere Schaffen von Berndt Mosblech im Verlag Ralf Liebe herausgegeben. Inzwischen ist der Band aus den Dateien der Verfügbarkeit verschwunden. Eine radikale Halbwertszeit. Aber daran sind Lyriker ja inzwischen gewohnt.
Der Titel irritiert vielleicht. Es sind nicht ausschließlich Texte über die Türkei. Es sind Texte von unterwegs, ob geografisch oder seelisch. Fremde Küsten, liebe Menschen, ausgewählte Worte. Vieles kommt wie auf fliegendem Teppich luftig, leicht, immer bewegt und bewegend, daher. Einige der Gedichte haben Gewicht und drücken den Flugseeligen wieder auf die nackten Tatsachen der Böden vieler Länder. Erstaunlich ist immer, wieviel „Moderne“ aus diesen Texten sich über ca. 40 Jahre in die Gegenwart gerettet hat.
Bevor die Nacht kommt
und meine Hände
vom Tisch fallen
will ich einigen wenigen
eine weiße Stadt schaffen
um ihnen findbar
zu bleiben –
im Wort
***
Türkischer Sommer von Berndt Mosblech, Verlag Ralf Liebe, Weilerswist.
Wie die Redaktion aus gut informierter Quelle erfahren hat, ist der Band nicht aus den Datein der Verfügbarheit verschwunden, sondern bestellbar bei der: Rose Ausländer-Stiftung / Schanzenstr. 23 / 51063 Köln
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