Nachdem Pia Lund die Band verlassen hat, ist Phillip Boa das einzige Mitglied des Voodooclub mit durchgehender Mitgliedschaft. Es ist als „der konsequenteste Indiepionier unseres Landes“ bezeichnet worden, hat mit Aristocracie, Boaphenia, Hair und Copperfield Meilensteine des Deutschen Pop produziert und internationaler Anerkennung vorzuweisen.
Seine Stärken liegen im Sinn für Überraschungen, dem perfekten Händchen bei der Auswahl leidenschaftlicher Bandmitglieder und einem ausgeprägten Gefühl für musikalische Kontraste. Entsprechend macht das aktuelle Studiowerk Bleach House da keine Ausnahme und klingt räudiger, expressiver und härter als der Vorgänger Loyalty. Alles ist also mal wieder anders und dennoch – oder besser deswegen – absolut Boa typisch.
Die Songs selbst haben ein ganz eigenes Gesicht. Ein neuer Produzent sorgt für einen Sound, der mehr nach internationalem Alternative Rock klingt und etwas weniger vordergründig nach den alten „Voodooclubbern“. Auch wird Phillip Boa mit den Jahren anscheinend nicht älter sondern subtiler. Inmitten des entfesselt rockenden Strudels zickt hier ein Saxofon jazzig groovy und dort ein ekstatischer Bass. Ein Stück wie „Icons Of Anarchy“ etwa setzt als American Punk angehauchter Wutklumpen ein zorniges Ausrufezeichen. Die Gitarren-Arbeit teilt sich Boa mit dem kongenialen Oli Klemm, der als eine Hälfte des nicht minder grandiosen Krautrock-Duos Sankt Otten kürzlich erst deren „Messias Maschine“ entscheidend prägte. Trotz all der Power: die romantische Seite kommt nicht zu kurz. Mal melancholisch im Grundton, dann wieder dezent optimistisch. Klarer dramaturgischer Höhepunkt der Platte: „Chronicles Of The Heartbroken“. Zärtliche Vocals und ein filigranes Arrangement mit einem minimalistischen Dialog von Gitarre und Drums.
Textlich verpackt Boa alles, was es zu sagen gilt, in poetische, mitunter nahezu Dalieske Gedankengänge, die im Ergebnis gelegentlich recht kryptisch ausfallen. Egal ob „Ueberblendung“, „Down With The Protocols“, das Titelstück oder die Single „Standing Blinded On The Rooftops“. Wer sich auf textliche Erkundungsreise begibt, wird nicht enttäuscht werden. Humor und Selbstironie inklusive.
Auf Bleach House zeigt sich Phillip Boa einmal mehr als perfekter Entertainer und unermüdlicher Kämpfer gegen oberflächliche Kunst. Der Voodooclub ist weiterhin Garant herrlich ineinander geschachtelter Arrangements, dabei dermaßen ästhetisch fest gezurrt, daß die Musik keinen Moment lang überladen wirkt.
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