Nach fast unendlich eintöniger Fahrt durch bergige Nebellandschaften, deren Schemen gerade zu erahnen sind, vorbei an Mittelgebirgsstädtchen, die sich mit leidlich hässlichen Lärmschutzwänden den Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts gebeugt haben, also in jener Stadt ankommen, die vor allem in den achtziger Jahren des letzte Jahrhunderts, manchmal auch noch heute Handballgeschichte geschrieben hat und schreibt. Gummersbach, wahrscheinlich die große Verheißung für manch einen jungen Handballer, der irgendwann Profi werden will. Wo ist die erwartete Großstadt?
Tatsächlich ist Gummersbach ein kleines, nettes Städtchen mit einem überdimensionierten Kreishaus, vielen verschieferten Häusern des Klassizismus, völlig verbaut mit den üblichen Sünden der sechziger und siebziger Jahr. Vielleicht der sogenannte Innenstadtring lässt ein wenig das Gefühl von Großstadt aufkommen, zumindest solange man den Schildern traut. Eine sympatisch verbaute Stadt der typisch deutschen Provinz. Und dies ist nicht despektierlich gemeint. Da es glücklicherweise keine zentralen Großstädte in Deutschland gibt, bleiben letztlich auch München, Berlin und Hamburg ziemlich provinziell, und das ist gut so, aber hierüber soll eigentlich gar nicht berichtet werden.
Seit einigen Jahren findet traditionell im Herbst eine kleine, überschaubare Kunstbörse statt, zu welcher immer wieder andere Künstler geladen werden, insgesamt zwölf (Die Namen finden sich am Ende des Artikels). Veranstaltet wird diese kleine Messe vom Kunstforum Gummersbach, engagierten Künstlern, die ihre Ideen in die Welt tragen. Vor allem Silke Knapp – Trauzettel, Bernhard und Elke Ellerhorst fallen im Organisationsteam durch ihr Engagement und die verbindliche Freundlichkeit auf, mit der die Künstler empfangen und unterstützt werden. Keine Massenabfertigung, wie man sie von anderen Messen kennt, sondern persönliche Gespräche stehen hier im Zentrum des Geschehens.
Verschiedene Ideen und Konzepte treffen aufeinander, die doch Abbild geben über verschiedene Tendenzen der aktuellen Kunst. Von den sehr ornamentalen Streifenarbeiten eines Peter Leidig, über die seltsam paradox verspieltstrengen skulpturalen Holzarbeiten Christoph Knapps, den sich in einzelnen Fragmente verlierenden collagehaften Zeichnungen Ulrike Stausbergs bis hin zu an Becherästhetik geschulten Dokumentationsfotografien Amerikas von Marie-Luise Wulf, die allerdings nicht auf Farbe verzichten mögen, bis hin zu völlig reduzierten Zeichnungen von Gerda Foerster oder opulenten Malereien der Maria Moeller .Auch abstrakte Relikte dürfen natürlich nicht fehlen, soviel ist klar. Manfred Schüler lässt verschiedene abstoßende Farbtypen ihre eigenen Strukturen finden und ergänzt diese durch pastose exakt gemalte Grenzflächen. Manuel Küpperhoek aus den Niederlanden zeigt fraktale Strukturen als Holzschnitte.
Besonders fällt Andrea Freiberg auf, die mit einer wunderbar verspielt ironischen Performance am Samstag die Eröffnung bestritt und das Publikum nicht nur auf ihrer Seite hatte, sondern in das Geschehen einbezog. Auf einer riesigen weißen Papierfläche, auf dem Boden befestigt, sollten die Menschen mit an Mixgeräten aus dem Küchenbereich befestigten Bleistiften nach Walzer oder Popmusik tänzerisch zeichnen. Ganz nach dem Motto „meine Frau malt auch“ wurde hier auf die typische Situation der Hobbyartisten aufmerksam gemacht, die Beuys´ Ausspruch, dass jeder ein Künstler sei, oft wohl missverstehen. Nicht jedes Bild ist schließlich Kunst.
Sie zeigte weiterhin genähte Fotografietableaus, die einerseits auf die digitale, andererseits auf die händische Bearbeitung verweisen und Beziehungsgeflechte erzeugen, welche Geschichten entstehen lassen, die doch in ihren Einzelheiten fast kryptisch erscheinen. Trotz Bilderflutung bleibt das, was unsere Gegenwart spiegelt: Alles erscheint auf des Gesamtblick hin chiffriert und kann sich letztlich nur im näheren Hinsehen teilweise erschließen. Kunst kann politisch sein, das ist bei Andrea Freiberg offensichtlich, ohne mit dem sprichwörtlichen Zaunpfahl zu drohen.
Das Gesamtbild dieser kleinen, aber feinen Börse fällt positiv aus. Die Stimmung ist gut, die Besucher interessiert, die Künstler agieren meist sehr freundschaftlich, die sogenannte Orga besticht durch ihre Persönlichkeit. Einziges Manko: Es hätten mehr Besucher kommen können, aber da ist das nächste Handballspiel dann doch wohl wichtiger.
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Beteiligte Künstler: Frank Breuer, Gerda Förster, Andrea Feiberg, Brigitta Heidtmann, Haimo Hieronymus, Christoph Knapp, Manuel Kurpershoek, Peter Leidig, Maria Moeller, Manfred Schüler, Ulrike Stausberg und Marie Luise Wulf.
Weiterführend → Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie einen Artikel von J.C. Albers. Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch den Essay über den Wandel des Museums.