Eine Genre-Mischung aus Science Fiction, Großstadtwestern, Thriller, Horror und Endzeitfilm (…) ein klaustrophobisches, düsteres Zukunftsbild einer Geisterstadt-Metropole, das geschickt mit durchaus realen Zukunftsängsten spielt.
Andreas Rauscher
Wir sehen ein New York im Jahr 1997: Die Kriminalität hat in den 1980er Jahren derart zugenommen, dass herkömmliche Gefängnisse nicht mehr ausreichen. Daher wurde Manhatten 1988 aufgegeben und die ganze Insel in ein Hochsicherheitsgefängnis verwandelt. Rund um den Stadtteil Manhattan erhebt sich eine 20 Meter hohe Mauer. Wir wissen, daß sich Geschichte nie exakt genauso wiederholt, wie sie einmal stattgefunden hat. Dennoch gibt es Muster, Argumente und Strukturen des Denkens, die aus der Ferne den Hut erheben und einem zuwinken. Alle Brücken, die aus der Filmkulisse herausführen, sind mit explosiven Sprengsätzen vermint. Es gibt keine Wächter innerhalb dieses Freiluftgefängnisses, sondern ausschließlich Inhaftierte. Dies hat dazu geführt, daß die Gefangenen inzwischen eigene Gesellschaftsformen entwickelt haben, die gleichsam den Cyberpunk und die Matrix vorwegnimmt. Wir erkennen toxische Gesellschaftsverhältnisse, befeuert von Alkohol, Sexismus und faschistoiden Tendenzen.
Terroristen entführen die Airforce 1 und lassen sie gezielt in Manhattan abstürzen. Die Sicherheitsmannschaft setzt den Präsidenten rechtzeitig in eine rote eiförmige Rettungskaspel, zusammen mit einem Aktenkoffer, in dem ein Sender aktiviert wurde, und einer Audiokassette, die Informationen zu einer neuartigen Energiequelle enthält, der Kernfusion. Der Präsident überlebt so den Absturz inmitten der Gefängniszone und wird von den Häftlingen als Geisel genommen. Der Kinogeher erlebt eine Gesellschaft, die sich im Zustand der Selbstauslöschung befindet, hier taugt keine Strategie gegen den Horror aus Glaube, Gewalt und Geld, der diese Welt beherrscht. Vertreter einer Lost Generation streifen melancholisch durch die Ruinen ihrer Existenz. Wir sehen ein abgründiges Gesellschafts-Panorama.
Speckige Lederjacke, verfilztes Haar und eine Augenklappe, mehr braucht es nicht für den Nonkonformisten Snake Plisken. Mit einem Segelflugzeug gelangt der ehemalige Soldat unbemerkt nach Manhattan und landet auf einer der Dächer der World Trade Centers. Dies entbehrt nicht einer absurden Komik, denn in der realen Dystopie des beginnenden 21. Jahrhunderts fielen diese Gebäude einem Anschlag zum Opfer. ‚Escape from New York‘, ist weniger ein Heldenepos als die düstere Vision einer verwahrlosten, pervertierten Zivilisation. Der Gegenspieler Isaac Hayes spielt mit derart latenter Aggressivität, dass er zum Quell einer bedrückend angstgesättigten Atmosphäre wird. Die Outlaws sind umgeben von einer dämmrig heruntergedimmte Illumination, die zum Verzweifeln kalt getönt ist. Es ist ein hysterisches System, in dem Existenzen in bröckelnden Bunkern gebaut werden, ein grellstichiges N.Y.C der Prostitution und Obdachlosigkeit, der vergammelten Luxusboutiquen und Ratten. Man könnte die Handlung mit Strinbergs lakonischen Diktum zusammenfassen: „Es ist schade um die Menschen.“
Beim Wiedersehen fiel auf, wie gut der Film gealtert ist, er strahlt von satirischer Verve und Bosheit, man beginnt sich fast in die Dystopie zurückzusehnen, da die Gegenwart erheblich bedrohlicher erscheint, als dieses schmuddlige B-Movie.
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Escape from New York, von John Carpenter. 1981
KUNO hat ein Faible für Trash. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Daher sei sei Enno Stahls fulminantes Zeitdokument Deutscher Trash ebenso eindrücklich empfohlen wie Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Ebenso verwiesen sei auf Trash-Lyrik.