Als Friedrich wieder heil in Deutschland ankommt, laufen wir durch die Innenstadt und ich erzähle ihm, dass ich ihm unbedingt etwas zeigen muss, was ich in seiner Abwesenheit entdeckt habe. Ich zerre ihn vor einen weltbekannten Juwelier. „Schau“, sage ich, klebe den Finger an die Vitrine und sage: „ich habe mich verliebt! Ich stehe ja nicht auf Luxuszeugs“, entschuldige ich mich gleich darauf, „du kennst mich, aber dieser Ring hier ist etwas ganz anderes, es ist der Ring“, sage ich, „verstehst du, der Ring!“. Wenn er einmal reich ist, sagt er, kauft er ihn mir. „Cool“, lächle ich den Ring an. Friedrich versucht das Preisschild zu lesen: „Dreihun, dreizehnhun, hundertdreitausendhundert – „Aber Sofia, was steht denn da, ich kann das nicht lesen!“, sagt er, und beugt sich näher zum Schaufenster. „Wir gehen jetzt in aller Ruhe etwas trinken. Ich muss erst mal herunterkommen.“, sage ich. „Ja, in der Tat“, das müsse er auch.
Wenig später sitzen wir auf der Dachterrasse des Cafe de Flor.
– Also gut, wenn mein Lyrikband publiziert wird, wie viel müsste ich davon verkaufen, um den Ring kaufen zu können?
Er verlangt einen Stift, dreht den Getränkebon um und fragt:
– Was wird dein Gedichtband kosten?
– Lyrikbücher kosten im Schnitt fünfzehn Euro, aber ich würde pro Buch sieben Prozent verdienen, im besten Fall zehn. Aber wir müssen jetzt realistisch sein!
Ich beobachte interessiert, wie er eine Weile Zahlen aufschreibt und Striche zieht.
– Also, wie soll ich sagen, hebt er schließlich den Kopf. Also angenommen du bezahlst vom Verdienst des Buches keine Miete.
– Ja, keine Miete!
– Und aber auch keine Nahrungsmittel, also kein Strom und nichts, also du kaufst auch keine Klamotten, nicht einmal Socken.
– Nie wieder Socken!
– Naja dann, hmm, also vergiss den Ring.
– Hey, ich schreibe gute Gedichte!
– Nein, darum geht es nicht, du schreibst die allerbesten Gedichte.
Ich bin beleidigt.
– Nein, wirklich, du schreibst die besten Gedichte, die ich je gelesen habe, für mich hast du selbst Goethe abgelöst, aber darum geht es nicht.
– Ja was denn dann? Es muss doch eine Möglichkeit geben. Du sagst doch immer, es gibt immer eine Möglichkeit, was ist denn jetzt mit der Möglichkeit?
Er bleibt eine Weile still und überlegt. Auch ich schweige.
– Was ist das meist verkaufte Buch der Welt?, will er wissen.
– Die Bibel.
– Siehst du, nicht einmal Gott hat so viel verkauft.
***
Auszug aus Das Halbhalbe und das Ganzganze, Verlag Literatur Quickie, Hamburg, 2014.
„Pixi-Bücher für Erwachsene“, beschriebe die Financial Times Deutschland das Konzept. Das sagen Verleger natürlich nicht. SIE sind der Literatur Quickie Verlag aus Hamburg und bieten seit dem Oktober 2009 Publikationen, die sie booklits nennen, um die Wartezeiten im Leben zu überbrücken. Der Literatur Quickie Verlag hat die Literatur an den Alltag der Leser angepaßt: Prosa im Pocket-Format, Geschichten to Go, Krimis auf dem Kopfkissen, Worte zum Wein oder im Wartezimmer, das Buch zum Bier, in der Bahn oder im Bus, Kafka zum Kaffee, Klabund im Klassenzimmer, das neue Leseformat, Lesen mit Format.
Mehr zum Lyrikband „Rose und Nachtigall“, Größenwahn Verlag, 2. Auflage, Frankfurt a. M., 2014