Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
schrieb schon Rainer Maria Rilke. Sprachliches Arbeiten oszilliert stets zwischen Sagbarem und der Unmöglichkeit, die Welt mit Worten und Sätzen zu erfassen. Inwieweit soll Literatur „Klartext“ sprechen? Inwieweit wird die Materialität, der Klang des Wortes selbst zum Thema eines Textes? Welche Rolle spielen Bedeutungen dabei? Wie kann heute erzählt werden? Und vor allem: Darf Literatur überhaupt klare politische Aussagen treffen? Oder ist es vielmehr ihre Aufgabe, Stellung zu beziehen? Wie entgeht man der Problematik, dass wir– ähnlich wie im dokumentarischen Theater– die politische Botschaft durch Reflexion immer auch abschwächen, jedoch umgekehrt, wenn man sie nur in Form von Aktionen oder Demonstrationen im öffentlichen Raum ausdrückt, der Gefahr der Propaganda erliegt?
Besonders begeistert bin ich, was das Politische betrifft, immer wieder von Luigi Nono´s Handwerk und Ansatz, dessen Kompositionen für mich implizit politisch arbeiten. Mit der Technik des Serealismus gelang es ihm, jedem Ton- ähnlich einem Individuum einer idealen Demokratie- in Hinblick auf die Übrigen eine gleichberechtigte Stellung zu verleihen. Das mag ein wenig nach Kopfgeburt klingen, aber es ist ein Umgang, der das Material ernst nimmt. So etwas ist dann für mich in gewissem Sinne auch politisch. Behandle dein Material, wie du ein Subjekt in einer idealen Gesellschaftsform behandeln wollen würdest. Es ist einerseits utopisch und andererseits eine Luxusangelegenheit, so arbeiten zu können, die vielleicht in der äußeren Welt zunächst nichts verändert. Aber wenn Veränderung im Denken, in der Bewusstwerdung beginnt, dann wär´ das immerhin schon etwas.
Als Kind konnte ich stundenlang das Wort „parallel“ wiederholen, ich ließ es mir auf der Zunge zergehen, fand es witzig, bekam komische Bilder im Kopf. Sprache hat mich von Anfang an unglaublich fasziniert. Diese Faszination lag vor allem in ihrer Phonetik und nicht in ihrer Semantik. Wo liegt da das Politische? Vielleicht gibt diese Dissertation eine Antwort; zumindest soll sie eine Suchbewegung bedeuten, eine Suchbewegung nach einer Sprache jenseits herkömmlicher semantischer und syntaktischer Strukturen.
Insofern ist „klartext“ dann doch auch weniger Klartext, bildet nur einen Rahmen um etwas, das sich nicht be- greifen lässt. Und dennoch muss man versuchen, die Dinge beim Namen zu nenne, wohl wissend um das permantente Scheitern. Um mit den Worten meines Lehrers Henri Chopin abzuschließen: „Never, never stop.“
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Nachbemerkung der Redaktion: Wir stellen auf KUNO hin und wieder Literaturzeitschriften von, zuletzt die Matrix. Wir entnehmen die oben zitierte Einleitung der klug zusammengestellten Ausgabe von Podium # 173/174. Auch in Österreich zeigt sich, die Annahme, das Netzwerk sei erst mit dem Internet erfunden worden, ist ein Irtum, es gab bereits eine Zusammenarbeit von Individuen bereits auf analoger Ebene. In der altehrwürdigen Tradition der Literaturzeitschrift schreibt sie sich fort.