Gedichte – was sonst?

 

Es ist nicht vielen deutschsprachigen Lyrikern gelungen, in mehrere Sprachen übersetzt, auf der Bühne, im Fernsehen und im Hörfunk inszeniert sowie in Schulbüchern verewigt zu werden. Axel Kutsch, der  am 16. Mai 70 Jahre alt wird, kann all dies vorweisen. Seit 1983 veröffentlicht der gelernte Zeitungsredakteur Gedichtbände und editierte seitdem über 20 Anthologien, die regelmäßig über das eigentlich unerklärliche Nischendasein dieser Literaturgattung hinaus für Aufsehen sorgen.

Von seinen Anfängen mit gesellschaftskritischer und politisch engagierter Lyrik entwickelte Kutsch einen unverwechselbaren, spielerischen und ironischen Umgang mit Sprache, der trotz heiterem Grundton zu höchst präzisen und teilweise erfrischend bösartigen Resultaten führt. Gerne macht der Lyriker dabei die Poesie an sich zum Thema, doch auch seinen wachen Blick auf politische und soziale Missstände hat er sich bis heute bewahrt. Neben den zahlreichen Einzeltiteln ist er in etlichen Anthologien und Zeitschriften vertreten. Kaum ein seriöser Verlag, der überhaupt keck genug ist, Lyrik-Sammelbände zu veröffentlichen, ist ohne seine Beiträge ausgekommen.

Neben der Edition etlicher Themen bezogener Anthologien hat Axel Kutsch vor allen mit der Reihe „Versnetze“ (Verlag Ralf Liebe) eine zuverlässige poetische Standortbestimmung geschaffen. Nach Regionen und Alter sortiert, zeigen Lyrikerinnen und Lyriker in diesem Jahresband, was sie aktuell thematisch und formal umtreibt. Dabei beweist Kutsch eine für eine Lyrik-Herausgeber eher untypische Eigenschaft: Er ist komplett uneitel. Wo andere gerne ihre eigenen Sprach- und Formschulen propagieren oder Weggefährten bzw. Epigonen publizieren, gilt für ihn nur das Primat der Qualität. Wer den Mut und die Fähigkeit zu einem eigenständigen, kreativen Umgang mit Sprache, Inhalt und Form findet, kann auf die Aufnahme in diesen Sammelband hoffen.

Dieses Primat der Qualität gewährleistet nicht nur dafür, dass die Bände bei all ihrer Vielfalt nicht in Beliebigkeit abrutschen. Es ermöglichte über die Jahre auch vielen jungen Autoren ermutigende erste Veröffentlichungen und nicht wenige von ihnen haben sich später einen guten Ruf erschrieben. Andererseits scheut sich Kutsch nicht, mitunter manch Großkopferte liegen zu lassen, wenn diese gerade nichts druckreifes beisteuern können.

Dabei pflegt Axel Kutsch in der Regel eine gesunde Distanz zu dem, was man gemeinhin den Literaturbetrieb nennt. Lesungen eigener Texte gibt es von ihm – leider – seit einigen Jahren nicht mehr. Gerne erinnert er aber an Lyrikerinnen oder Lyriker, die zu Unrecht vergessen sind. Für Aufsehen sorgte seine kritische Abrechnung mit den eingefahrenen Lyrik-Preis- und Förderritualen oder zuletzt seine Empörung über das seelenlose Verramschen des Standardwerks „Der große Conrady“, wobei er sich nicht scheut, ausschließlich Rendite-orientierten Verlagsmanagern „eine geistige Gartenzwergmentalität“ zu bescheinigen.

 

 

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Anlässlich des 70. Geburtstags wird im Verlag Ralf Liebe unter dem Titel „Versflug“ einen Band mit ausgewählten Gedichten Axel Kutschs von 1974 bis 2015 erscheinen, zudem ist am 9. Juni im Literaturhaus Köln unter dem Titel „Gedichte. Was sonst?“ ein Abend zu seinen Ehren geplant. Und auch ein neue Band der „Versnetze“ ist bereits in Vorbereitung.

Weiterführend Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.

 

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