Bei der abgebrannten Kirche
schneit es seit drei Wochen
den Heiligen sind Hüte gewachsen wie Pilze ihre Schirme
in den Regen spannen
die Stimme der Glocke kauert im Krähennest
des vorigen Sommers
wirr greifen die Arme der Orgel um sich
ein Schiff mit toten Segeln
noch nie hat der Schnee dem Priester so zu schaffen
gemacht
schamlos beharrlich wachsen die weißen Berge
als wollten sie den letzten Tropfen Glauben aus ihm
quetschen
die Saat des Teufels scheint in dieser Gegend
aufzugehen
murmelt er in seinen längst vereisten Bart
und schüttelt während er wiederholt auf Holz klopft
seine weiße Mähne
morgen
kommt vielleicht jemand zur Messe
dann wäre dies
der letzte Schnee
* * *
Die 53. Woche, Gedichte von Traian Pop. Aus dem Rumänischen übertragen von Gerhardt Csejka, Horst Fassel, Edith Konradt, Johann Lippet und Dieter Schlesak. Edition Monrepos, 2013
Weiterführend → Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.