Genau wie sein Landsmann und Vorgänger im Ural, Georg Wilhelm Henning, rekonstruiert Kellner die altgewohnte Umwelt, damit diese sowohl heute als auch in der Zukunft immer in Bewegung bleibt und stets neue Sichtweisen liefert.
Irina Chmyrew
In diesem Projekt setzte Thomas Kellner sich auf eine künstlerisch-fotografische Weise mit zwei wichtigen Wirtschaftsräumen in Deutschland und Russland auseinander, die eine gemeinsame Geschichte der Industriekultur verbindet. Die Rede ist von seiner Heimatstadt Siegen und zwei der größten Städte Russlands, Jekaterinburg und Perm. Was kaum jemand wusste: Jekaterinburg und Perm sind von dem gebürtigen Siegener Georg Wilhelm Henning gegründet worden. Georg Wilhelm de Gennin, wie er in Russland genannt wird, 11. Oktober 1676 – 12. April 1750, war ein in Deutschland geborener Offizier und Feuerwerker, der aufgrund seiner beachtlichen Kenntnisse in der Metallurgie nach Russland eingeladen wurde. In Amsterdam wurde der russische Zar Peter I., der Russland modernisieren wollte und dafür Europa bereiste und nach Fachpersonal Ausschau hielt, auf Henning aufmerksam. Henning wurde von François Le Fort in russische Dienste aufgenommen und änderte seinen Namen in Gennin, was im Russischen leichter auszusprechen ist. Als Mitglied der kaiserlich russischen Armee nahm Gennin teil am Großen Nordischen Krieg. Er zeichnete sich u.a. aus bei der Belagerung von Wyborg und der Belagerung von Kexholm. Er verkehrte am russischen Hof in den höchsten Kreisen und trat in Kontakt zu Jacob Daniel Bruce und Alexander Danilowitsch Menschikow. In der Folgezeit diente Gennin als geologischer Berater, bei der Neugestaltung des Bergbaus in Russland und wurde 1721 mit dem Aufbau einer Waffenfabrik in Sestrorezk beauftragt. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Wassili Nikititsch Tatischtschew ist Georg Gennin auch der Gründer der Stadt Jekaterinburg, die sich bei dem dort konstruierten Eisenwerk entwickelte, mit dem 18. November 1723 als offiziellem Gründungsdatum. 1734 kehrte er nach St. Petersburg zurück, wo er auf Lebenszeit Mitglied des Militärrates war.
Die Architektur ist wie ein Abschlusspunkt, der den künstlerischen Prozess vollendet und gleichzeitig ist er auch der Ausgangspunkt für eine neue künstlerische Reise des Betrachters – das ist Kellner.
Irina Chmyrewa,
2012 begab Kellner sich auf die Spuren Hennings, klärte zunächst die historische Begebenheit und fotografierte dann wichtige Unternehmen in Deutschland und Russland, um ihre Gemeinsamkeit, die Verarbeitung von Stahl und Metall, fotografisch festzuhalten. Es entstand eine neue Serie über die Industriearchitektur im Siegerland und im Ural, die die bisher wenig bekannte Verbindung zwischen diesen Wirtschaftsräumen darstellt. Gezeigt wurden seine Arbeiten aus genius loci in Einzel- und Gruppenausstellungen und Vorträgen in Jekaterinburg, Uglitsch und Krasnodar in Russland, In Pingyao und Peking in China, in Siegen, Düsseldorf, Hamburg und Bruchsal in Deutschland und in Aarhus Dänemark, in Lyon und Paris in Frankreich und beim Portfoliomeeting in Houston/USA und Bratislava/Slovakei. Allein über die Internetseite lensculture haben eine halbe Millionen Menschen aus der ganzen Welt Kellners Ausstellungsseite des Projektes besucht. Eine gar wundersame Reise, die Thomas Kellner mit den Bildern aus Siegen und Jekaterinburg seit bald 2 Jahren unternimmt. Zusätzlich entstand in Deutschland ein Buch, das auf 140 Seiten in wunderschönen Fotografien die Industriearchitektur und -kultur der jeweiligen Gebiete präsentiert und Interessantes über das Eisenland Siegerland, die Herkunft Hennings und seine Arbeit als Künstler erzählt.
Ballarat International Photobiennale August 22 – September 20, 2015. Ballarat, Australia.
genius loci – Zwei Siegener im Zarenland September 11 – 27, 2015, Weisbachsches Haus, Plauen, Germany
gifts from Nancy and Tom O’Neil September 30, 2015 – March 27, 2016, The Baltimore Museum of Art, USA
genius loci – Zwei Siegener im Zarenland 8. – 29. November 2015, Kultur Flecken Silberstern e.V., Freudenberg