Die Partnerstadt von Twin Peaks liegt am Niederrhein

Wofür zahlen wir eigentlich Fernsehgebühren? Eine Antwort könnte sein: Für Meuchelbeck!

Der örtliche Imobilienhändler ruft bei einem rechtsradikalen Kunden an, der an der Übernahme der Pension Zum Höllentor interessiert ist; und er sagt diesem mit folgenden Worten ab: „Ich denke da könnten wir noch weiter probieren bis zur Vergasung.“ Das ist ein Art von Humor, der das Schwarze Schaf von Niederrhein normalerweise in seinem Programm hatte. Meuchelbeck erzählt mit viel schwarzem Humor und Sinn fürs Skurrile vom Leben in der niederrheinischen Provinz zwischen Wachtendonk, Xanten und dem Wallfahrtsort Kevelaer, dort wo verborgene Sehnsüchte und gepflegte Lebenslügen für eine höggschd explosive Mischung sorgen, die entweder hoffnungsvolle Neuanfänge freisprengt versucht oder bittere Lebenslügen zum Vorschein bringt.

Der Niederrheiner weiß nix, kann aber alles erklären.

Hanns Dieter Hüsch

In Meuchelbeck leben die Menschen von der Landwirtschaft und vom Tourismus, der natürlich vor allem zur Spargelsaison brummt. Die Handlung der Serie folgt einer Kettenreaktion, die aus gleichartigen, einander bedingenden Teilreaktionen besteht: Hätte etwa der Heimkehrer Markus Lindemann (gespielt von Holger Stockhaus) wirklich einen guten Grund zurückzukehren; so stünde seine Schwester Mechthild (Dagmar Sachse) – Inhaberin der Pension Höllentor – wahrscheinlich nicht im Verdacht, ihren verschwundenen Mann Albert umgebracht zu haben; würde dann seine Tochter Sarah (Janina Fautz, erinnert in ihrer Beziehung zu ihrem Vater an Jane Levy aus Suburgatory) nicht wider Willen in den kleinen Drogengrenzverkehr und ein lesbischen Comming-Out gezogen; und wenn dem nicht genug wäre: hätte der Pfarrer Seifert (Luc Feit) keine Glaubenskrise; verginge die tumbe Dorfpolizistin Frauke (Anna Böger) nicht vor unerwiderter Liebe zu Markus; fühlte sich dessen alte Flamme Julia (Karin Hanczewski) noch immer zu ihm hingezogen (und er selbstverständlich zu ihr); hätte ihr Mann Oliver (Christian Hockenbrink) als örtlicher Immobilienhändler nicht das rechtsradikale Pack am Hals, der in Meuchelbeck ein Klubhaus eröffnen will – und wenn dem nicht genug wäre: dann würde der Tierarzt Rudi Geerkens (Hubertus Hartmann) möglicherweise nicht immerzu Menschen behandeln und sich so gut mit einer Ziege verstehen, viel besser als mit seiner Frau Veronika (Anuk Ens), deren Approbation als Psychologin zweifelhaft erscheint, und wenn dem immer noch nicht genug wäre: dann säße dem alten Lehrer Erwin (Claus Dieter Clausnitzer), der permanent durchs Dorf strolcht, auch nicht seine verstorbene Frau Hilde als Strohpuppe auf der Schulter, mit der er fortwährend schwatzt. Wir sehen bei einem Höhepunkt der deutschen Serienunterhaltung lauter schräge Typen mit schwarzem Humor, der an Six feet under erinnert.

Ein Schluri, weil ich hab de Kopp zu voll. So sagt man auf Niederrömisch. So haben die alten Römer früher am Niederrhein gesprochen.

Meuchelbeck vereint alles Absurde im absichtlich Schrägen. Das Lachen über diese Population ist eine Versöhnungsgeste mit den Wirrnissen, die Pointen sitzen punktgenau und die Dramaturgie sorgt für einen Cliffhanger nach dem anderen, so daß man am Ende jeder Episode ganz unbedingt wissen will, wie es weitergeht – in diesem Twin Peaks am Niederrhein.

 

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 Meuchelbeck, Montags ab 20:15 Uhr im WDR Fernsehen.

 

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KUNO hat ein Faible für Trash. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Dieser angeschmutzte Realismus entzieht sich der Rezeption in einer öffentlichen Institution. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge. Produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Ebenso verwiesen sei auf Trash-Lyrik .