Von leeren Blättern und gefüllten Tagen

 

„Der ungeschriebene Text bleibt mein Eigentum. Die Bestätigung nur, dass mein größtes Ausdrucksmittel mein Schweigen ist“. Dies ist – um einen etwas altmodischen Begriff zu strapazieren – das Credo des Gesanges. „Ich schreibe, / also bin ich

betitelt Berndt Mosblech seinen neuesten Band mit Lyrik und „Prosa in lyrischen Segmenten“, der Nachfolger also von „Türkischer Sommer“ im Verlag Ralf Liebe. Und dieses energiegeladene Schweigen spricht fleißig, man hört, sieht, ahnt es immer irgendwo versteckt zwischen den eher wenigen beschriebenen Zeilen.

Alltag, Träume, Erinnerungen, Gedanken um Gewesenes, Eventuelles, auch um den gefühlt nahen Tod: die Themata sind beschränkt, umsomehr überraschen die zahlreichen Facetten, mit denen Mosblech literarisch den Alltag in einem Pflegeheim meistert, das ihm aufgrund eines Autounfalles seit Jahrzehnten Heimat ist.

Die Beobachtung der begrenzten Umwelt, die – manchmal heftig – einströmenden Erinnerungen an Liebe, Kindheit, Jugend – die Philosophie aus dem sozusagen ruhendem Ich geboren: Das gibt dem Band Kraft und Aussage. Wer Weinerlichkeit befürchtet, wird positiv überrascht: Ich lese mehr und mehr Bejahung, manchmal sogar schmunzelndes Verständnis mit der Welt rundum. Kleine Weisheiten am Rande, Erfahrenes, Erlesenes gibt es, Alltagssituationen, leicht literarisch beleuchtet. Dann wieder Kurzprosa vom Feinsten, ein geradezu spitzbübischer Versuch am „König der Lyrik“, Rimbaud, und dessen Beziehung zu Verlaine beschließt den Band.

Man kann dieses Buch nicht einordnen. Man kann kritisieren, dass etliche Tippfehler nicht korrigiert worden sind. Man kann darüber sinnieren, warum so mancher Text scheinbar unvergoren ins Manuskript geflossen ist. Scheinbar, wohlgemerkt. Beim mehrfachen Nachlesen ergiebt sich aus manchem vorher als eher trivial eingeordneten Text dann doch ein kleiner literarischer Leckerbissen, im Zusammenhang gesehen. Die sporadisch eingeflochtenen Gedichte sind wie „windlos auf die Haut gesät“ – um Karl Krolow zu bemühen, der einst Mosblechs Lyrik liebte und lobte – leicht, schwebend, dennoch tiefgehend, berührend.

 

 

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Ich schreibe, also bin ich, Lyrik und Prosa in lyrischen Segmenten, von Berndt Mosblech, Verlag Ralf Liebe, Herausgegeben von Helmut Braun.

Weiterführend →

Lesen sie auch den Artikel  Lyrik und Prosa in lyrischen Segmenten. – Ein Porträt von Peter Ettl und der Edition Silver Horse finden Sie hier. – Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.