Meta

Unsere Sprache ist metaphorisch, sage ich. – Unglaublich, sagt Schlange. – Aber wahr, sage ich, wenn wir miteinander sprechen, sagen wir nur ungefähr, was wir meinen, die Wörter sind nur Zeigefinger. – Metaphorische Zeigefinger?, sagt Schlange. – Ja, sage ich, wir reden mit Händen und Füßen, aber was wir sagen, hat am Ende nicht Hand und Fuß. – Das sind Wortspiele, sagt Schlange, wir verstehen uns doch gut mit unseren ungefähren Worten, ich weiß immer ganz genau, was du mir sagen willst. – Weil wir an unsere Worte glauben, sage ich, aber die Sprache hinkt unseren Gedanken hinterher, oder sie eilt ihnen voraus, der eine versteht mehr, der andere weniger, und von diesen Unterschieden leben neue Gedanken. –  Dann ist doch alles gut, sagt Schlange. – Ja, sage ich, im ungefähren Raum der Wörter treffen wir uns gut genug. – Allerdings, sagt Schlange, verstehe ich mich mit mir selbst noch besser als mit dir, mein Selbstgespräch ist genauer, ich muss nicht in Bildern mit mir reden. – Das denkst du nur, sage ich, deine Sprache ist immer metaphorisch, die Wörter fließen mit der Zeit, sie erzählen alte Geschichten, sie werden neu in einer neuen Geschichte derselben Geschichte – das spaltet mein Herz, und deins auch. – Nein, sagt Schlange, das spüre ich aber  nicht. – Weil du nicht richtig mit dir redest, sage ich, wenn ich über meine Sprache spreche, wird mir die ganze Schizophrenie meiner engen Begriffswelt klar. – Ach, sagt Schlange, deswegen redest du also mit mir? – Ich muss meinen Horizont verdoppeln, sage ich, um die Spaltung meines Denkens auszuhalten. – Aber verdoppelst du da nicht deine Schizophrenie?, sagt Schlange. – Kann sein, sage ich, wenn aber zwei gespaltene Herzen halten, was sie sich versprechen, halten sie das Leben besser aus. – Das ist jetzt aber doppelt metaphorisch, sagt  Schlange, du verlierst den Boden unter den Füßen. – Na und?, sage ich, ich gewinne mich selbst! – Und die Spaltung? – Die heben wir auf, sage ich. – Wir? – Ja, sage ich, wir. – Wie denn?  – Mit unserer Metaphorik, Schlange!

 

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Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016

In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.

Further reading →

Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.

 

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