Schlange und ich auf dem Weg zum Museum.
Warum, sagt Schlange, ist so viel Streit unter den Menschen? – Eigentlich weiß ich das auch nicht, sage ich, es ist ja schon so viel Streit in den Menschen selbst, der geht nach außen und wirkt dann wieder zurück. – Das ist ein dialektischer Prozess, sagt Schlange, oder die Frage, wer zuerst da war, die Henne oder das Ei. Schlange beginnt sich in die eigenen Gedanken zu verlieben: Wenn ich jetzt sage, die Henne muss zuerst da gewesen sein, ist nichts gewonnen, die Henne des allerersten Beginns hat nichts mit dem Ei zu tun, das wir zuletzt sehen. – Ich denke, sage ich, wir müssen den Gedanken an den Kausalnexus aufgeben. – Gut, sagt Schlange, wir stehen also nicht in einer stetigen Reihe von Ursache und Wirkung … – Ja, sage ich, auf deine Frage gibt es keine Antwort. – Schade, sagt Schlange, dann gibt es also auch keinen Grund, warum wir jetzt ins Museum gehen? – Nein, sage ich, denn wir gehen ja weder wegen eines Grundes noch einem Grund zuliebe ins Museum. – Du verwirrst mich, sagt Schlange. – Das liegt daran, dass du glaubst, es gäbe Antworten auf deine Fragen wie Wirkungen als Folgen von Ursachen, sage ich, deine Fragen sind sinnlos. – Nein, sagt Schlange, wir können den Glauben an einen Grund vereinbaren. – Du bildest dir ein, sage ich, dem Zufall ein notwendiges Schnippchen zu schlagen. – Deine Logik ist übrigens die schlimmste Falle, die wir uns stellen können, sagt Schlange, und damit basta!
Ob Schlange eine Philosophin ist, wenn sie so spricht, frage ich mich immer wieder, vielleicht muss sie, wenn sie philosophiert, so reden, denke ich.
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Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016
In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.
Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.