Du weißt, wie sehr ich den Einkaufsbummel in der Stadt hasse – aber was soll ich machen? Schlange will bummeln und zieht mich auf die bunten Boulevards der Stadt der Städte und geht durch alle Läden und Boutiquen mit den feinen Moden. – Du bist mein Spiegel, sagt Schlange, und ich muss fortwährend sagen, wie schön ich sie in den neuen Kleidern finde. – Ich muss dir laufend beim Einkaufen zuschauen, sage ich nach einer langen Weile zu ihr, ich habe heute noch gar nicht richtig nachdenken können. – Du denkst, sagt Schlange, immer nur an dich, und wühlt weiter in den Kleiderständern herum. – Und zum Lesen bin ich auch noch nicht gekommen, sage ich. – Das darf doch nicht wahr sein!, sagt Schlange, du hast doch mich! – Dich habe ich schon ausgelesen, sage ich, mein Geist braucht immer wieder neue Reize. – Du denkst immer nur, sagt Schlange, an das eine. – Setzen wir uns, sage ich, als wir an einem Eiscafé vorbeikommen, ich habe heute noch gar keinen Espresso getrunken. – Du Säufer!, sagt Schlange, im Grunde bist du süchtig nur nach dir. Am besten trennen wir uns. ich habe noch viel vor. Ich verlasse dich jetzt. – Du siehst, sage ich, mir geht es so lala. Es ist immer wieder dasselbe mit den Frauen. Am liebsten verführen sie sich selbst.
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Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016
In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.
Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.