Weißt du, sage ich, als ich mich aus der Umarmung mit Schlange löse, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich mit Susanna im Bett liege … – Ach so, sagt Schlange, du denkst an eine andere, wenn du mit mir schläfst? – Nein, sage ich, ich denke nur an dich, wenn ich in dir bin! – Quatsch, sagt Schlange, du denkst an die beiden jungen Mädchen, die du heute in der Stadt gesehen hast, du hast dir ja den Kopf verrenkt, wie du ihnen nachgeschaut hast. – Und wenn es so wäre, sage ich, schmälert das meine Liebe zu dir? – Natürlich nicht, sagt Schlange, du liebst mich doch gar nicht, du liebst nur deine Liebe, du benutzt mich nur. – Vielleicht ist es bei dir genauso, sage ich, mit wem schläfst du, wenn du mit mir schläfst? – Ach, sagt Schlange, du kommst dir wohl jetzt ganz schlau vor, wie? Ja, ich benutze dich auch, das gebe ich zu. – Siehst du, sage ich, du benutzt mich auch! – Ja, sagt Schlange, aber ich denke dabei an dich, – als du noch jung warst, so jung wie die beiden Mädchen!
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Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016
In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.
Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.