partiell-selektiv-stellenweise

 

Bei Betrachtung der Arbeiten aus der Serie Partiale von Haimo Hieronymus sprudeln die Assoziationen über:

..wie durch ein Mikroskop vergrößerte Zellen, eine Waschmaschinentrommel, Fingerabdrücke, Fußböden, Adern, Spinnennetze, Fischgrätenmuster..

Eine überarbeitete Brettspielfläche, wie etwa das Mühle Spiel, mutet wie ein Labyrinth an.

Auf den ersten Blick wirken die Bilder schnell erfasst. Deutet dies nicht schon der Ausstellungstitel an? Partiale: partiell-selektiv-stellenweise; Lauter Formen, in schneller Malweise, unter Verwendung einer fast schon dreckigen Farbpalette, welche dem Künstler scheinbar gerade zur Verfügung steht, umgesetzt. Was treibt Hieronymus dazu?

Eine endgültige Antwort wird man durch die Betrachtung der Arbeiten wohl nicht bekommen. Zu differenziert sind die  Quadrate, Linien, Punkte, Kreise…

Jedes Bild mit anderen Formen und anderer Farbgebung. Stetig wandert der Blick von einem zum nächsten Bild, die Farb-Formästhetik denkbar schnell erfasst.

Erst nach ein paar Minuten und einem steten Sprung des Blickes von einer zur nächsten Leinwand, allein das kleine Format gebietet dies, wachsen die Muster zusammen und ergeben eine Art Formelsammlung.

Die Kunst: die Bilder wirken hierbei nie gänzlich gefunden, abgeschlossen. Im Gegenteil: Sie stehen da als Beispiele für eine Art bild bildende(Forschungs-)reise, deren Weg das Ziel ist.

Nun die Bilder aus der Serie Alphabetikon-

Lebendig und verspielt tummeln sich die meist prägnant in den Bildvordergrund gesetzten Konturlinien der Figuren und Tiere neben Wortzügen wie etwa Yammi, Welle, Venus, Ultra, Barock, Juwelen, Krise, Retro..

Was haben denn nun bitte diese Begriffe mit den Motiven gemein?

Vielleicht muss man sich ein wenig mit seiner Person beschäftigen. Damit, was diesen Menschen neben seinen Bildern noch umtreibt.

Spricht man mit Haimo Hieronymus und hat eventuell schon einmal einen Blick in sein Atelier geworfen, so merkt man schnell: er ist nicht einfach nur ein Maler, nein: er ist süchtig nach allem was mit Sprache zu tun hat. So gesehen liegen stets Schriftstücke, gebunden, herausgerissen, fragmentiert in seinem Raum. Alte technische Zeichenbücher, Familienalben, Romane..

Alles wächst zu einem Kosmos aus Sprachfetzen und tagebuchartigen Bildern zusammen.

Trotz aller Komplexität der Bildebenen, in jeder Arbeit spielt er geschickt mit Perspektive und lässt so manchen Bereich der teilweise mit Mustern besetzten Leinwand, die auch schon mal aus Brokat oder 80er Jahre Sofastoff besteht, frei.

Der Eindruck, es mit Arbeiten zu tun zu haben, die dem Kern von Etwas, dem Wesentlichen auf den Grund gehen wollen, verfestigt sich. Dem Betrachter werden in beiden Serien, Partiale und Alphabetikon, keine fertigen Motive geliefert. Nein, der Vorstellung des Betrachters wird Futter gegeben. Ein Nachdenken über das dort Sichtbare, was auch immer es ist, scheint unvermeidlich. Die radikale Gegenüberstellung von Sprache, Motiv und Bildebenen ist gewollt und regt uns zum Denken, zum genaueren Hinsehen an!

Den Assoziationen, ob Tapetenmuster, Jalousie oder Schuhsohle, wird dabei freier Lauf gelassen.

 

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Partiale, Ausstellung von Haimo Hieronymus. Noch bis zum 30. April 2016 in der IHK-Galerie, (Koblenzerstr. 121 / 57072 Siegen)

Partiale, Katalog von Haimo Hieronymus. Gedichte von A.J. Weigoni. Edition das Labor 2016.

Vertiefend → Zum Thema Künstlerbücher lesen Sie bitte auch den Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.