Ich liege gern so eng bei dir, sage ich. – Das ist schön, sagt Schlange, das gefällt mir, du liebst mich eben sehr. – Ja, sage ich. – Aber, sagt Schlange, du liebst vielleicht nur meinen Körper. – Was denn sonst, sage ich. – Ich liebe deine Seele, wenn ich mit dir schlafe, sagt Schlange, ich liebe dich ganz. – Ich liebe dich auch ganz, sage ich, jetzt deinen Körper, nachher deine Seele, eins nach dem andern. – Ich liebe deinen Körper über deine Seele, sagt Schlange. – Ich liebe deine Seele über deinen Körper, sage ich, alles ist im Gleichgewicht. – Nein, sagt Schlange, ich liebe dich viel mehr! Wenn mein Körper dich nicht mehr interessiert, wirfst du auch meine Seele weg. – Aber Schlange, sage ich, wo denkst du hin? – In deine Richtung, sagt Schlange, ich sehe die Dinge ganz wie du.
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Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016
In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.
Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.