Gibt es eine Hölle?, fragt Schlange, als ich bei ihr liege und an nichts Böses denke. – Vielleicht sogar zwei, sage ich, eine für dich und eine für mich. – Das glaube ich nicht, sagt Schlange, es ist eine Erfindung der anderen. – Nein nein, sage ich, was wir denken können, gibt es auch in Wirklichkeit, nur anders als wir denken. – Wenn es eine Hölle gibt, sagt Schlange, gibt es nur eine Hölle für alle. – Nein, sage ich, eine Hölle für alle gibt es nicht, sie wäre nicht schlimm genug. Die Hölle ist die Einsamkeit. Nur im Himmel bist du nicht allein. – Wenn es überhaupt einen Himmel gibt, sagt Schlange. – Doch doch, sage ich, der Himmel ist ja das erlösende Nichts. – Dann ist es aber egal, ob du allein bist oder nicht, sagt Schlange. – Zurück zur Hölle, sage ich, wahrscheinlich kommen wir sowieso alle da hin. -Du vielleicht, sagt Schlange, ich nicht. – Du bist schon halb drin, so heiß wie du bist, sage ich. -Bleib beim Thema!, sagt Schlange, mich interessiert das nämlich wirklich! – Du willst also wissen, ob du der Hölle entkommst, sage ich. – Ja, sagt Schlange. – Ich sage dir, du richtest dich selbst, sage ich. – Wenn ich mich richte, sagt Schlange, gibt es keine Gnade. – Siehst du, sage ich, wir kommen alle in die Hölle. – Jeder in seine eigene?, sagt Schlange. – Ja, sage ich, aber nur symbolisch. – Meinst du, sagt Schlange, eine Hölle für alle wäre viel zu groß? – Du sagst es, sage ich, es gibt keine reale Hölle, jedenfalls nicht nach unserem Tod. – Eigentlich schade, sagt Schlange.
…
Weißt du noch, sage ich, was du mir sagtest, als wir uns kennenlernten? – Nein, sagt Schlange, es war wohl sehr wichtig für dich? – Ja, sage ich. Du sagtest: Ich gehe nicht mit dem Teufel ins Bett. Und jetzt schläfst du immer noch mit mir. – Ich irrte mich, sagt Schlange, aber ich irrte mich nur, weil ich mich irren wollte.
…
Schlange, sage ich – ich liebe dich! – Ich liebe dich auch, sagt Schlange. – Ich bin gern dein Gott, sage ich, aber du sollst keine anderen Götter haben neben mir! – Ach, sagt Schlange, ich liebe dich auch wenn du der Teufel wärst – in deiner Hölle bin ich wie im Himmel!
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Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016
In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.
Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.