Wie viele Autoren aus Österreich ist Thomas Havlik experimentierend auf unterschiedlichen Feldern unterwegs. Er ist Autor, Soundpoet, Performer und kommt in seinem Auftritt eher als ein Rockstar denn als einem Dichter daher. Die CD Syllablesshooter ist eine Mitschnitt-Sammlung von Auftritten von Thomas Havlik aus den Jahren 2014/15. Als vielseitig Begabter bezieht er in seine akustische Installationen nicht nur eigene Texte und Versatzstücke aus gebautem und gesammeltem Audiomaterial heran, sondern auch von anderen Artisten; auch hier erinnert er weniger als einem Schreiber, eher an einen DJ. Immerschon haben Dichter aufeinander Bezug genommen, zustimmend oder zweifelnd, ehrfürchtig oder respektlos. Einen Kollegen ernst nehmen bedeutet zunächst: ihn lesen. Denn „schreibend erst spreche ich“ könnte als Motto für diese Montagen stehen. Er handelt sich bei dem von ihm organisierten Material um eingesprochene Silben, Phoneme oder Samples sowie unterschiedliche Geräusche. Eine für dieses Tun charakteristische Schreibbewegung ist die Kurzschließung höchst unterschiedlicher Gegenstandsbereiche zur Herstellung eines poetischen Mehrwerts. Wir hören unterschiedliche akustische Abdrücke wie etwa Tiere oder Maschinen. Havliks Montagen sind präzise Setzungen, die das Wabern und Murmeln, das Brodeln unter der Oberfläche der Wahrnehmung spürbar machen. Die Umsetzung als Audio CD ist im Jahr 25 nach dem Beginn des LiteraturClips daher nur konsequent.
Die chorischen Vokal-Elemente muten wie Rückversicherungen, Verstärkungen dessen an, was Gegenstand der Tiefgänge ist. So stellt sich das Subjekt in den Dienst von allem.
Petra Ganglbauer
Die Sprache von Thomas Havlik, läßt sich als Metasprache hören. Er nimmt sie beim Wort, genauer er nimmt alles an ihnen genau: die Wörter, ihre Auswahl, ihre Verknüpfung und ihre Anordnung. Er bedenkt sie. Prüft sie. Man zerlegt er sie und setzt sie wieder zusammen. Dann wirken sie äußerlich wieder wie vorher – und muten doch etwas anders an. In seinem wortspielerischen Zugang erinnert er an Sophie Reyer. Lesen Sie selbst einen Auszug:
Kreischenkel, im Seil
Gefährtoskop verzeichnet
Die Kreischritte. Schier
Kompost entfaltet Land
Karten kalenderblatt
Läufig, wir verstehen es
Türoskopisch und gehet
Wegen; In-speak-Tore
Durchschwommen? – Si
Ja, Chlorophyllspritzen im
Aug´, den Gaffer nach Innen
So quellen aus dem Bleich-
Und Aberschnitt die Falten
Der Wahrsch-Quappe
Soweit dieser furiose Ausschnitt, der zeigt: Das sprachliche und akustische Potenzial des Autors ist nuanciert und weit gefaßt. Die wechselseitige Abhängigkeit von Wort und Sound ist das strukturbestimmendes Thema, um zu zeigen, wie Literatur an den herrschaftstheoretischen Debatten ihrer Zeit partizipiert. Die dialektische Negation politischer Systeme in Darstellungen von Koalitionen zwischen Wort und Sound, die Forderung nach Humanität und moralischer Integrität in Darstellungen. Der ständige Wechsel zwischen Poetik und Posse, Ernstgemeintem und Dahingesagtem ist ein großer Spaß, wenn man diese Collage die wortlastige Theaterhaftigkeit und seine inszenatorische Redundanz nicht übel nimmt. Diese Hörfolge sprüht geradezu vor der Lust am Wilden, am Inkohärenten, am Diskursiven und Albernen, am Abgefahrenen und Wiederverwerteten. Und es ist, was man immer weniger in der deutschsprachigen Literatur antrifft: wunderbar seltsam.
***
das auto voller wasser von Thomas Havlik. Audio CD. edition zeitzoo, www.zeitzoo.at Wien 2011
Syllables Shooter. 30 Milliarden Silben von Thomas Havlik. Audio CD. edition zeitzoo, www.zeitzoo.at Wien 2015