Bevor Sie dieses Gedicht betreten,
ziehen Sie sich bitte die Schuhe aus.
Sie werden vom Autor darum gebeten.
Sparen Sie am Ende nicht mit Applaus.
Haben Sie sich schon die Hände gewaschen?
Nein? Dann wird es aber höchste Zeit.
Begegnen Sie Dichtung nicht mit der laschen
Einstellung Ihrer Alltäglichkeit.
Was glauben Sie denn, wo Sie gerade weilen?
Hier findet eine Feier des Wortes statt.
Spüren Sie nicht den Wohlklang der Zeilen,
die der Autor für Sie geschrieben hat?
Da darf er ein bißchen Respekt verlangen.
Nehmen Sie gefälligst Haltung an.
Gerade sitzen! Nicht so durchgehangen
wie ein versoffener Liederjan.
Die Zähne sollten Sie sich auch noch putzen.
Ein Gedicht verträgt keinen Mundgeruch.
Oder geht es Ihnen darum, zu beschmutzen,
was Sie mehr fordert als ein Kalenderspruch?
Lesen Sie langsam. Nehmen Sie sich Zeit.
Sorgen Sie noch für gedämpftes Licht.
Sind Sie jetzt endlich soweit?
Dann genießen Sie dieses Gedicht.
***
Die Feier des Wortes ist nun Prüfungstext in den USA. Nachdem Lyrik von Axel Kutsch außer im deutschsprachigen Raum auch in Australien, Belgien, Frankreich, Kanada und im Iran veröffentlicht worden ist, gesellen sich nun die USA hinzu. Die gemeinnützige Bildungsstiftung International Baccalaureate mit Sitz in Bethesda nahe Washington DC verbreitet sein Gedicht „Feier des Wortes“ auf DVD und USB als Prüfungstext für Studentinnen und Studenten der deutschen Sprache und Literatur in den USA. Erschienen ist es erstmals in Axel Kutschs Lyrikband „Wortbruch“ (1999) und seitdem in Anthologien publiziert (u. a. im „Großen Conrady“) sowie durch die Schauspielerin Sophie Rois im Rundfunk und Fernsehen (3sat) vorgetragen worden.
Weiterführend →
Lesen Sie auch die Gratulation von Markus Peters zum 70. Geburtstag auf KUNO. Eine Würdigung des Herausgebers und Lyrikers Axel Kutsch im Kreise von Autoren aus Metropole und Hinterland hier.