Meine Seele, leichtfüßig
geh‘ nach Livorno, ich bitt‘ dich.
Und mit deiner Kerze
schüchtern, zur Nachtzeit,
dreh‘ eine Runde; und, wenn du Zeit
hast erkunde und forsche, und schreibe,
ob vielleicht Anna Picchi lebendig
noch unter den Lebenden weile.
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Il seme del piangere (Die Saat des Weinens) von Giorgio Caproni. edition taberna kritika, 2016
Giorgio Caproni wurde 1912 im toskanischen Livorno geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte der Lyriker in Livorno und Genua. 1939 wurde er zum Militärdienst einberufen, kämpfte an der Westfront und nahm während der deutschen Besatzung am Partisanenkampf in Val Trebbia (Provinz Genua) teil. Vorübergehend war er als Grundschullehrer beschäftigt. Nach seiner Übersiedelung nach Rom arbeitete Caproni als Kritiker für mehrere Zeitungen und Zeitschriften sowie als Übersetzer, vor allem aus dem Französischen (Proust, Céline, Maupassant, Char etc.). Zwischen 1936 und 1988 gab Caproni achtzehn Gedichtbände heraus. Er gilt in Italien als einer der herausragendsten Dichter seiner Generation. Giorgio Caproni starb 1990 in Rom. Postum erschien 1991 das umfassende poetische Werk Res amissa.