Im Musée Rodin
Ach Schlange, sage ich, immer heftiger beschwert mich der Gedanke: Alles stürzt ein. – Was soll denn einstürzen, sagt Schlange, außer deiner Liebe zu mir? – Der Himmel, sage ich, der Himmel ist zu schwer geworden. – Ach was, sagt Schlange, du bist zu schwer geworden. – Das ist eine andere Geschichte, sage ich, ich rede vom Himmel. – Ich auch, sagt Schlange, von unserem Himmel. – Das ist wieder eine andere Geschichte, sage ich. – Du bist wirklich schlimm, sagt Schlange, wir stürzen ab, und du denkst wieder mal nur an dich und deinen ‚Himmel’. – Im Gegenteil, sage ich, ich denke ans Ganze! – Klar, sagt Schlange, das Ganze ist dir wichtiger als unsere Liebe, aber der Einsturz fängt bei uns an! – Ach was, sage ich, wenn der Himmel einstürzt, rettet uns auch unsere Liebe nicht. – Das sehe ich anders, sagt Schlange. – Na ja, sage ich, so rettest du mich nicht. – Ach so, sagt Schlange, aber vielleicht rette ich uns! – Es gibt kein Glück im Unglück, sage ich. – Doch, sagt Schlange, genau darum geht es. – Ich lasse dir das letzte Wort, in Himmels Namen, sage ich. – Wo Gefahr ist, sagt Schlange, wächst das Rettende auch.
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Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann, Kulturnotizen 2016
In den Schlangegeschichten wird die Dialektik der Liebenden dekliniert. Ulrich Bergmann schrieb mit dieser Prosafolge eine Kritik der taktischen Vernunft, sie steht in der Tradition der Kalendergeschichten Johann Peter Hebels und zeigt die Sinnlichkeit der Unvernunft, belehrt jedoch nicht. Das Absurde und Paradoxe unseres Lebens wird in Bildern reflektiert, die uns mit ihren Schlußpointen zum Lachen bringen, das oft im Halse stecken bleibt.
Eine Einführung in die Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.