Carpe noctem

Eines Tages, sagt Arthur, wache ich nachts auf, und ich weiß nicht, bin ich wach, bin ich nicht wach, gehört das noch zum Traum – und während ich hier mit dir rede, frage ich mich, bin ich jetzt wach oder bin ich nur in einem anderen Traum?

Und wie entscheidest du dich?, frage ich.

Genauso wie ich mir am Tag einrede wach zu sein, begreife ich die Wirklichkeit als Metapher des Traums oder den Traum als Metapher der Wirklichkeit, ich weiß nur nicht, wann das eine und wann das andere stimmt, ich vermute, es läuft so oder so auf das Gleiche hinaus, sagt Arthur.

Wie kannst du, frage ich, in dieser Ungewissheit leben?

Indem ich mit ihr lebe wie mit der Nacht in meinem Traum, sagt er. Weißt du, die Sicherheit der Wissenden kommt mir so bodenlos vor, dass ich glaube, meine Unsicherheit gibt mir da viel mehr Halt.

 

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Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann. KUNO 2017.

Als intensiver Beobachter verfügt Ulrich Bergmann über die Begabung, noch die alltäglichsten Details in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, um etwas über das Leben und die menschlichen Beziehungen zu erzählen. Er nennt seine Kurzprosa ironisch „gedankenmusikalische Polaroidbilder zur Illustration einer heimlichen Poetik des Dialogs“. Wir präsentieren in diesem Jahr auf KUNO alle Arthurgeschichten und warnen Sie: Ähnlichkeiten mit Lebenden oder Toten oder lebenden Toten sind zufällig, rein zufällig, absichtlich zufällig, zufällig absichtlich, rein absichtlich und nichts als die reine Absicht.

Weiterführend → Lesen Sie zu den Arthurgeschichten den Essay von Holger Benkel. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.