Jeden Tag ein Gedicht schreiben, habe ich mir gedacht.
Kein Schmonzes über rote Rosen und Sonnenuntergänge,
keine Lügen über Liebe.
Renitent möchte ich sein, Thanatos gegenüber,
und auch ansonsten rebellieren gegen alles.
Als Fingerübung und noch mehr.
Jeden Tag eines.
Den Tod überlisten durch ein tägliches Gedicht.
Ein Sisyphos sein, die Götter verachtend.
Der Fels, den ich hinaufrolle, müsste ein Azurit sein;
gleichwohl Azurit ist ein Mineral … kann ich das rollen?
Kein Fels. Keine Strafe.
Wenn schon straflos: ein bisschen Himmelzerschmettern vielleicht.
Skyshatter!
Und wenn es das nicht ist,
schreibe ich eben über meine schöne Nachbarin,
die sommers jeden Morgen einsam durch ihren Garten streift,
eine Rose schneidet, in ihren eigenen Beeten und Rabatten.
Des Abends sitzt sie still da
und beobachtet den Sonnenuntergang.
Eine Meditation.
Jeden Tag eine.
Und vielleicht weiß sie mehr über die Liebe als ich.
Und Sisyphos wird überflüssig.
Azurit ist mittelhart. Ob das zur Erkenntnis reicht?
Skyshatter!
Aus Liebe.
Rote Rosen. Also doch.
***
Der Essay Sind wir nicht alle ein bisschen COPY & Paste? wurde beim KUNO-Essaypreis 2013 mit einer lobenden Erwähnung bedacht. Die Begründung findet sich hier.
Die Redaktion verlieh Denis Ullrich für einen weiteren fulminanten Text den KUNO–Essay–Preis 2015.
Lesen Sie bitte auch: Fragmentarischer Versuch einer Prosaverortung und den Prosaüberflug Lost in Laberland.