Ich geh gerne in diese Tschocherln, weil dort niemand von einem erwartet, dass man Spaß hat.
Sie hat die Fehde mit Thomas Glavinic überlebt, der sie auf Twitter als „Rollmops“ bezeichnet hatte. Sie hat den Volkszorn überlebt, den das Boulevardblatt Kronen-Zeitung unlängst gegen sie geschürt hat. Sie würde wahrscheinlich auch einen Atomkrieg überleben: Stefanie Sargnagel, die kraftvolle Stimme des kreativen Prekariats. Sie ist ein Symbol, die unwahrscheinlichste Verbindung von Sinnlichkeit, Intellektualität und fröhlicher Rebellion im Literaturbetrieb. Inhaltlich geht es in ihrem neuen Buch Statusmeldungen um Flüchtlinge, Flexitarier und die FPÖ. Es ist Mischung von satirisch-sarkastischen sowie persönlich-politischen Kurztexten, welche diese Art von Twitteratur ausmacht. Sich selbst würde sie eher nicht als Schriftstellerin bezeichnen:
Dieser Job raubt mir die ganze Energie, die ich eigentlich zum Rumhängen und Nichtstun benötigen würde.
Es ist nach Eingeneinschätzung: „Fäkalrealismus und liebevolle Bosheit“, die Verweigerung des gesellschaftlichen Leistungsprinzips, die sie zugsspitzt in Twitter-Länge auf Fratzenbuch veröffentlich. Ihre Twitteratur ist eine clevere Spielerei mit Verstellung und Imitation, sie zielt auf Erwartungen, und dafür gehen diese Erkundungen weit, manchen manchmal zu weit. Man sollte sie ernst nehmen, allerdings nicht wörtlich. In ihrem Texten wird an die Dialektkultur eine H.C. Artmann angeschlossen oder der Herr Karl Monolog von Helmut Qualtinger mit einer neuen Kunstsprache aus den Tiefen des Rinnsteins gewonnen und als zeitgemäßen Trash fortgesetzt.
Zu erzählen habe ich auch nichts mehr außer: ‹Da muss ich noch das Schreiben und ein Formular ausfüllen, Rechnungen heften, Krankenkassa überweisen, und dann kauf i ma des vom Iglo. Des is guat. Das waam i ma auf. Des Schlemmerfilet. Guad is des.›»
Ihre Bedeutung liegt im Ungenauen, darin, daß diese Form der Literatur keine Deutungshoheit beansprucht. Sargnagels Technik erinnert an die soziale Plastik von Joseph Beuys: Gesellschaftliche Wirklichkeit wird zu Material, das sich umformen läßt. Stets geht es geht um die Durchdringung nicht nur von Oberfläche und Tiefe, sondern auch die Verwischung der Oberflächen in– und durcheinander. Innen ist aussen ist innen. Es bleibt bewußt unklar, ob es ein Protest ist oder ob ihre Twitteratur für die Resignation derjenigen stehen, die, überwältigt von der Krise der Demokratie, nicht wissen, ob sie demonstrieren oder sich daheim einigeln sollen. Der Band Statusmeldungen sollte Pflichtlektüre an den Literaturinstituten in Hildesheim und Leipzig werden.
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Statusmeldungen von Stefanie Sargnagel, Rowohlt, 2017
Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Außerdem sei Enno Stahls fulminantes Zeitdokument Deutscher Trash ebenso endrücklich empfohlen wie Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten.