O Fortuna

Ich habe neulich, sage ich zu Arthur, nachgedacht wie du. Ich sah die Welt als Jahrmarkt, und ich sah den Jahrmarkt wie die Welt.

Ich bin gespannt, sagt Arthur, wie du dir antwortest – denn das müsste Ähnlichkeit haben mit meinen Gedanken, die ich habe, wenn ich denke.

Ich frage mich, sage ich, welche Jahrmarktsensation sich als stärkste Weltmetapher in mir aufspielt. In die engere Wahl zog ich Achterbahn, Karussell und Riesenrad.

Aha, sagt Arthur. Alles Klassiker.

Die Achterbahn, sage ich, gefällt mir, denn es geht bergauf und bergab, ganz wie im Leben, mehr bergab als bergauf, und es ist viel Schwindel dabei.

Gut, sagt Arthur. Weiter!

Das Riesenrad gefällt mir am allerbesten, es ist ein umgekipptes Karussell, sage ich, mit Höhen und Tiefen, mal bist du oben, mal unten, du steigst und fällst im Kreis wie mit den Jahreszeiten deines Lebens, im tiefen Winter steigst du aus. Das war’s.

Aha, sagt Arthur, also auch die Dinge sind metaphysisch.

Und sonst?, sage ich. Denke ich so ähnlich wie du?

Ja, sagt Arthur, ich sehe allerdings noch eine andere Weltmetapher auf dem großen Jahrmarkt, die ich mit deinen Bildern vergleiche. An deinen Bildern stören mich die festen Bahnen, mir fehlt die Kraft des Zufalls.

Dann sag mir, sage ich, was dir fehlt.

Die Losbude!, sagt er.

Die ist doch langweilig, sage ich, die ist doch viel zu abstrakt!

Aber, so Arthur, die Welthaltigkeit ist hier viel intellektueller arrangiert als bei dem ganzen Budenzauber sonst.

Was ist daran so intellektuell?, sage ich.

Mir gefällt, sagt Arthur, das mathematische Kalkül der Wahrscheinlichkeit – das Unglück ist begrenzt.

Das Glück aber auch, sage ich.

Das macht keinen Unterschied, sagt Arthur. Das Glück ist sowieso etwas Abstraktes. Man kann nichts Gescheites gewinnen.

 

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Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann. KUNO 2017.

Als intensiver Beobachter verfügt Ulrich Bergmann über die Begabung, noch die alltäglichsten Details in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, um etwas über das Leben und die menschlichen Beziehungen zu erzählen. Er nennt seine Kurzprosa ironisch „gedankenmusikalische Polaroidbilder zur Illustration einer heimlichen Poetik des Dialogs“. Wir präsentieren in diesem Jahr auf KUNO alle Arthurgeschichten und warnen Sie: Ähnlichkeiten mit Lebenden oder Toten oder lebenden Toten sind zufällig, rein zufällig, absichtlich zufällig, zufällig absichtlich, rein absichtlich und nichts als die reine Absicht.

Weiterführend → Lesen Sie zu den Arthurgeschichten den Essay von Holger Benkel. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier.