Der Akt des Sehens und der Akt des Filmens, für Peter Meilchen gab es da nie einen Unterschied.
Exemplarisch läßt sich Peter Meilchens Arbeit an einem Multimediaprojekt verdeutlichen. Schland ist der Versuch, den Blick gleichsam zu konservieren und mit der Kraft der Vergewisserung die Seele des Augenblicks festzuhalten. Photografie ist für Meilchen kein Ablichten oder Ausschneiden von Realität. Nicht Imitation von Wirklichkeit strebt der Künstler aus, sondern meine Interpretation von ihr. Diese multimediale Arbeit beschreibt einen akustischen Raum in einem räumlichen Behältnis, dem „neuen“ DeutSchland, einem fiktiven Staat, tiefste Provinz. Schland folgt dem poetischen Kernsatz:
Nur die Fiktion ist noch wirklich, weil die Wirklichkeit durch mannigfaltige Wahrheiten verunstaltet wurde.
Schland ist nicht nur ein Acker in Herdringen, auf dem Milchproduzenten umherlaufen, Schland ist überall. Es geht (ganz im Sinne Poes: „Man sieht es und sieht doch hindurch“) um den Blick, das Sehen, die Kurzsichtigkeit. In seinem Spiel mit den unterschiedlichen Oberflächen und Texturen, in der Kontrastierung der scheinbar unvermittelten Landschaft bei Herdringen, den mehrfach gebrochenen Ausblicken auf das Sauerland sind diese Fotos – nicht nur im ironischen Kommentar des zusammengekniffenen Photografenauges, immer auch Reflexionen über das Medium Photografie.
Schland ist alles Gebilde von Menschenhand
Peter Meilchen präsentierte vor 25 Jahren in der Werkstattgalerie Der Bogen mit Schland ein durchaus ernsthaftes Projekt über ein Tier, dessen Faszinationspotenzial gering scheint, dem aber ein entscheidender Anteil an der Sesshaftwerdung des Menschen, also der wesentlichen zivilisationsgeschichtlichen Wegmarke überhaupt zugesprochen werden kann. Das Kühe, die gütigen Ammen der Menschheit sind, wissen wir seit dem alten Testament, die Gründe dafür, dass der Kuh eher das Image von Behäbig– und Mittelmäßigkeit anhaftet, vollzieht Peter Meilchen in seinem Projekt nach, indem er zeigt, wie ursprünglich biologische Konstitutionsmerkmale oder historische Notwendigkeiten mit symbolischem Gehalt gefüllt werden. Er präsentiert die körperliche Ruhe der Kuh, die sie zum Sinnbild des Stoischen hat werden lassen, mit ihrer Eigenschaft als Beutetier. Für das ist es in freier Wildbahn überlebensnotwendig, weder Panik noch Schmerz zu zeigen, um nicht die Aufmerksamkeit des Raubtiers auf sich zu lenken. Ähnlich: ihre Augen. Sie sind dafür geschaffen, ein maximal großes Sichtfeld zu haben, um Angreifer möglichst früh erkennen zu können. Uns sind sie indes vor allem Ausdruck der psychischen wie physischen Lethargie der Kuh. Meilchens Trick besteht darin, daß es natürlich gar nicht um die Wahrheit über die Kuh geht, sondern darum, gerade durch die verschiedenen Projektionen etwas über die die Menschen und ihre Zeit selbst zu erfahren. Die Photografie als Medium der Wirklichkeitserfahrung ist zu kostbar, um sie ans bloße Knipsen zu verlieren.
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Schland, Ausstellung von Peter Meilchen in der Werkstattgalerie Der Bogen, Neheim, Lange Wende 42, am 13.12. 1992, ab 17:00 Uhr. Zur Ausstellungseröffnung wurde der Super-8-Film Schland mit einem Ohr-Ratorium von A.J. Weigoni uraufgeführt. Frank Michaelis, Saxophon (Komposition), Marion Haberstroh und Kai Mönnich, Schauspieler. Remastered von Tom Täger für die Edition Das Labor, Mülheim an der Ruhr als DVD.
Weiterführend →
Weiterhin von Peter Meilchen in der Edition Das Labor erhältlich:
Schland, DVD, Edition Das Labor, Mülheim 2009
Texte, Hörbuch, Edition Das Labor, Mülheim 2010
Beobachtungen eines Unsichtbaren, DVD, Edition Das Labor, Mülheim 2011
Leben in Möglichkeitsfloskeln auf Kulturnotizen 2013
Schimpfen, Roman, Edition Das Labor, Mülheim 2013
Frühlingel, erscheint im Buch/Katalog-Projekt Wortspielhalle, Edition Das Labor, Mülheim 2014