Es gibt sie noch, die alternativen Kleinverlage, die sich bewusst gegen den Internet-Giganten Amazon stellen, denn alternativ ist ja eine Wahl zwischen den Möglichkeiten, und alternativlos nur das Unwort des Jahres 2010. Seit die VG-Wort ihre Ausschüttungen neu regeln musste, traf es besonders die Kleinverlage. RUP hingegen existiert seit 25 Jahren.
Roland Adelmann begann 1987 als Mitherausgeber der Zeitschrift „Produkt“. Es folgten das Fanzine „Buletten-Tango“ sowie die Anthologien „Downtown Deutschland“ und „Asphalt Beat“. Es waren Zeiten der klammen Kassen – arbeitslos und Spaß dabei – und seine eigene literarische Laufbahn begann mit einer Kurzgeschichte im legendären „Gasolin 23“.
1992 wurde RUP geboren. Da war es hauptsächlich ein Vertrieb. Einerseits verkaufte AdelmannBananenkisten voller antiquarischer Bücher, andrerseits im Copyshop zusammengetackerte Hefte des Social-Beat. Ein Staat war damit nicht zu machen. Als man Social-Beat zu Grabe trug, konzentrierte er sich auf den Verlag.
Mittlerweile umfasst sein Programm Namen wie Richter, Borgerding, Flenter, Jan Off, Pfeiffer, Lahr und Böke, allesamt lebende Autoren der toten SB-Szene. Darüber hinaus bedient Adelmann einen Stil, den er selber beherrscht: Underground, also subkommerzielle Veröffentlichungen. Das bedeutet gleichwohl: „Wir arbeiten nicht mit Amazon zusammen, wir produzieren auch keine E-Books. Literatur ist kein Ding, das als App heruntergeladen werden sollte.“
RUP folgt einem individuellen Weg, ohne ISBN, ohne Amazon, und obwohl die kommerzielle Werbung darunter leidet, fließen die dadurch generierten Gelder an den Autor. Während der Maro-Verlag sein Frühjahrsprogramm 2017 abblasen musste, weil VG-Wort eine vierstellige Summe rückforderte, brachte Roland Adelmann gleich sechs Titel raus.
Der Untergrund setzt eine Eigenschaft voraus, nämlich die Unabhängigkeit. RUP umgeht den Aderlass des Buchhandels und bedient wie anno dazumal. Hierzu gehören Chapbooks, diese minimale Art der Lektüre. RUP druckt subjektiv. Und was RUP druckt, ist Underground. Folglich erscheint auch der Autor Roland Adelmann im Programm. 2014 publizierte er (nach 16 Jahren) seinen Debütroman „Bier im Frühstück, Tschernobyl im Arsch“, kürzlich das 44-Seiten-Heft „Werken in De Pinte“: „Größtenteils kurze, direkte, kryptische, bekloppte Poems, die dem Wahnsinn entspringen.“ Im besten Fall gelingt die Symbiose Verlag und Autor wie bei RUP und Adelmann, solange Taschengeld, Freizeit und Stil stimmen.
Rodneys Underground Press kuratiert ein weiteres Projekt, die Maulhure. Herausgeben von Hermann Borgerding, Urs Böke und Jerk Götterwind. Wer für den Namen verantwortlich ist, ist nicht bekannt, jedenfalls zeichnet die Textauswahl ein großes Maß an bissiger Dichtung. „Hier trinkt der Underground sein Bier – ungepflegt und ungezogen.“
Was im September 1992 mit einem gefalteten DIN-A4-Blatt begann, vereinigt heute Verlag, Vertrieb und Autor. Bestellungen ab 10 Euro sind innerhalb Deutschlands portofrei. So begann Amazon auch.
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Weiterführend →
Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier (und als Leseprobe ihren Hausaffentango). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge, produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Inzwischen hat sich Trash andere Kunstformen erobert, dazu die Aufmerksamkeit einer geneigten Kulturkritik. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen, der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Jürgen Kipp über die Aufgaben des Mainzer Minipressen-Archives. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.