des vaters firma läuft, man ist zufrieden.
der sohn ist schwul, sie wissen’s nur noch nicht;
doch eines tages nimmt er sich zusammen
und sagt es ihnen einfach ins gesicht.
die mutter heult: wie kannst du uns das antun!
der vater dröhnt: bist du noch unser sohn?
doch dann nimmt er den junior auf seite:
wir regeln diese leidige sache schon!
man muß ja so was nicht nach außen tragen;
die sache bleibt, verstehst du, ganz privat –
der ruf der firma… und du bist der erbe!
wir reden nicht mehr drüber, biegen’s grad.
der sohn versteht, der makel bleibt verborgen;
so wird er in der firma zweiter mann.
und braucht er mal nen fick, fährt er ins jagdhaus
und ruft von dort ne callboy nummer an.
doch ein mal hat er pech, ist nichts zu machen:
es kommt der azubi vom ausgangsband.
dem gibt er 100 für den fick am abend
und 100 für das schweigen auf die hand.
doch sagt ihm der: da liegen doch die chancen,
es gibt so manchen heimlich anders rum.
mit deinem schwanz da machst du schnell avancen,
dein arsch ist gut, und du bist auch nicht dumm.
ich hab adressen, du hast räumlichkeiten,
tun wir uns doch zusammen, was meinst du?
du führst die gäste und ich führ die bücher,
die stricherei lernst du bei mir im nu!
der vater überschreibt dem sohn das jagdhaus;
der macht mit seinem freund draus ein bordell.
dem sein gerät wird alsbald zum geheimtip,
und beider ruf verbreitet sich sehr schnell.
es kommen bullen und es kommen bonzen,
es kommt ein pfaff und sie beglücken ihn.
und kommen welche die mit riesen stronzen,*
so legt er’s ihnen auch im chevy hin.
doch eines tages kommt der vater selber:
du auch, mein vater! und: du hier, mein sohn!
daher bist du so oft in meinem jagdhaus!
sag, was verdienst du, wie lang machst du’s schon?
da tun die drei ihr kapital zusammen
und bauen ne GMBH drauf auf,
und sie beherrschen schnell den ganzen schwanzmarkt
und kaufen bald des vaters firma auf.
in deren hallen stehn jetzt statt maschinen
in boudoirs die betten wie sie’s kriegen;
und in den bars da kellnern rosa trinen.
die kunden sind, wie ehedem, gediegen.
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Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2018
HEL ist bekannt geworden als Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. Diese Gedichte legen eine Stimmung frei, die zwischen Melancholie und Unbeschwertheit, Wehmut und Klarheit wechselt.
Weiterführend →
Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.
Anmerkung:
stronzen = „angeben, sich aufspielen“