der in den bus steigt hat eine steuersache am bein
er führt die Shoshanna bar und wird sozi empfänger sein
die dame sammelt der schwänze wegen fotos aus DON
der junge macht sich mit zwei mark achzig von mutter davon
der telefoniert plant einen kleinen versicherungbetrug
doch traut seinem partner – porsche auf raten – noch nicht genug
den im parka frag nicht in welchem park er pennt
ne frau macht er an um ne mark und macht dafür einn auf student
die dame mit hund auf dem schoß die gäbe ihm jeden trost
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
der kaffee trinkt ist drücker und seine letzte chance
sind sieben scheine am tag – das kind wie in trance
hat en kerzenstummel im arsch wird das blut mit krepp
abwischen – die dame mit hund die tee bestellt gäb
was drum der junge kellner zög sie zu sich heran
und machte es ihr wie fünfundvierzig der russe der dann
am letzten tag noch krepierte der einzige war er für sie
im bett da träumt sie von einem nach teichschilf riechenden vieh
das über sie steigt und faucht und wie ein sturm ihren schoß – –
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
der nadelgestreifte der bier bestellt den peitscht seine frau
der kleine dieb wird’s drehen wie immer und hält sich für schlau
der mann mit beffchen hat bei dem mädchen nur eins im sinn
sie liefe nackt in der sonne und langte ann schwanz ihm hin
die dame die Don hefte sammelt hat unheilbar unterleibskrebs
der in den bus steigt hat ein magengeschwür er schleppt’s
schon monate mit sich rum – dem kellner sein freund hat entdeckt
wie man die bons fürs essen schiebt und die kasse streckt
den jungen kellner verarscht seine frau jetzt tut er groß
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
die frau im loden war BDM und ihr liebster war jud
sie trieben’s im keller ‘s war rassenschande und ging nicht gut
ihr kind wurde kommunist überhaupt war ihr leben vertan
doch fand sie dann übern rhein einen oberschlesier als mann
und den traf der schlag – eine flasche am tag dann zwei und mehr
sie putzt die wohnung nicht mehr und macht den pißpott nicht leer
gestern gab ihr der rentner in flaus* seine BILD – der hat
das heut wohl wieder vergessen – der telefoniert hat grad
kurz aufgeschaut und weg – das pflaster schwankt wie ein floß
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
der kellner weiß was der wirt mit den kurden – scheppt er oft lau*
ist frisch getraut und jetzt schon betrügt ihn seine frau
er wieder betrügt sie mit einer die zehn jahr älter ist
der frau vom Shoshanna boß der grad ging der weiß das! mist!
sein freund ist ne lusche den zieht jeder ab und schwul obendrein
doch gnade ihm Gott er ging ihm mal zu weit das schwein
den lehrling hat er vernascht der drüben bei PORST FOTO werkt
im dunkelraum haben sie’s getrieben – der wirt der hund merkt
nicht wie er sich geld einbongt – die Wurlitzer spielt: vie en rose
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
der auf dem blumenkübel hat die bude voll heroin
und hat einen hund den kauft er als welpen und foltert ihn
die frau neben ihm im loden wird abends den gashahn aufdrehn
noch sitzen sie in der morgensonne das wetter ist schön
der nadelgestreifte kommt nur wenn Kim ihm die eier abschnürt
der hat den ruin vom Shoshanna boß herbeigeführt
der rentner im flaus macht sich zu haus eine möse aus speck
und fickt sie beim trän’reichen rosenkranz und schmeißt sie dann weg
das kind malt himmel und hölle – der mit dem beffchen: famos
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
der fahrer des porsche metallic ist auf der fahrerflucht
hat noch die er überfahren hat zu beatmen versucht
der lehrling der sich Javaanse zieht der masturbiert
auf seinem speicher elektrodrähte im arsch – der wirt
vom stehcafé hält in seinen häusern kurden zu siebt
denen er beim Shoshanna fürn hungerlohn arbeit gibt
der dieb hat en keller entdeckt wo er ein paar kisten wein
raus holen kann und ann freund verticken nachts steigt er ein
die dame mit hund geht langsam: möpp wo bleibt du bloß
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
der telefoniert hat trifft sich mit dem im porsche er schnippt
ihm die papiere rüber wobei er Martini nippt
der rentner drückte den russen ihre gemächte hin
in die gefalteten hände nur einmal bei Katyn
hat er ne polin gelegt höchstens zwölf doch wusch sich das blut
von der hose ab man weiß ja wie dreckig die sind die brut
feuchte augen kriegt er – schmetterlingsflügelzart
das kind hält den tisch fest – immer der rasse die treue bewahrt
der mit dem umschlag gibt dem tisch aus versehn einen stoß
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
der junge schielt auf das mädchen: ob sie wohl mit mir ging
für zwei mark achzig – der im porsche läßt an: das ding
kann uns kein mensch beweisen – der kellner im stehcafé leiht
dem lehrling en fünfer für lötzinn – das mädchen schreit
als ihr der rentner ihren himmel und hölle stein klaut
der wirt zieht einen der kurden nach hinten beschimpft ihn laut:
du türkensau – einer frau ist die Kaufhof tüte geplatzt
der rentner streicht dem kind übers haar: aber nicht doch schatz
da hast du – der junge schießt in die blumen mit gummigeschoß
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
die frau mit der Kaufhof tüte denkt wie sie ihren mann
ohne spuren langsam auf seite bringen kann
sie träumt von einem see und daß bei ihr ein engel steht
der führt sie wenn sie immer tiefer ins wasser geht
der engel könnte der junge sein der da kaffee trinkt
der folgt ihr spult seinen spruch ab und hat sie im flur schon gelinkt
der dealer gibt dem im parka eins aus: und kommst du mit
gehen wir nach Holland ich hab was für dich – der junge zieht
mit ihm ab: zum anfixen einer klar du brauchst moos
auf der fußgängerzone ist freitag um zehn nicht viel los
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Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2018
HEL ist bekannt geworden als Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. Diese Gedichte legen eine Stimmung frei, die zwischen Melancholie und Unbeschwertheit, Wehmut und Klarheit wechselt.
Weiterführend →
Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.
Anmerkungen:
flaus = „wollstoff“
lauscheppen = „flaumachen, blaumachen, mauzeppen“