Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock angezogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wetter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverständlich macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch stillgehalten hat, daß das Weggehen allgemeines Erstaunen hervorrufen müßte, wenn nun auch schon das Treppenhaus dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn man nun trotz alledem in einem plötzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt, sofort straßenmäßig angezogen erscheint, weggehen zu müssen erklärt, es nach kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit der man die Wohnungstür zuschlägt, mehr oder weniger Ärger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der Gasse wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon unerwartete Freiheit, die man ihnen verschafft hat, mit besonderer Beweglichkeit beantworten, wenn man durch diesen einen Entschluß alle Entschlußfähigkeit in sich gesammelt fühlt, wenn man mit größerer als der gewöhnlichen Bedeutung erkennt, daß man ja mehr Kraft als Bedürfnis hat, die schnellste Veränderung leicht zu bewirken und zu ertragen, und wenn man so die langen Gassen hinläuft, — dann ist man für diesen Abend gänzlich aus seiner Familie ausgetreten, die ins Wesenlose abschwenkt, während man selbst, ganz fest, schwarz vor Umrissenheit, hinten die Schenkel schlagend, sich zu seiner wahren Gestalt erhebt. Verstärkt wird alles noch, wenn man zu dieser späten Abendzeit einen Freund aufsucht, um nachzusehen, wie es ihm geht.
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Betrachtung ist ein Sammelband mit 18 kurzen Prosatexten, der Ende 1912 erschienen ist. Es war Kafkas erstes veröffentlichtes Buch und wurde – mit der Jahreszahl 1913 – im Rowohlt-Verlag verlegt. Von den 18 Stücken beschäftigen sich acht mit der Position des voveristischen Betrachters. Der Kritiker Paul Friedrich spricht in dem Zusammenhang von „Kafkas Junggesellenkunst“. Es werden Lebensverfehlungen dargestellt, denn Kafkas Helden bleiben einer bürgerlichen Alltagswelt verhaftet, ohne deren Kriterien erfüllen zu können. Die Texte sind vom filmischen Sehen bestimmt; sie übertragen die Möglichkeiten des neuen Mediums zunächst nur auf Kurzsequenzen. Kafka erzählt mit Hilfe des kinomathographischen Verfahrens keine geschlossenen Geschichten, sondern bietet experimentelle Sequenzen, in denen Bewegungsbilder, Lichteffekte und Momentaufnahmen die Vielfalt der erzählerischen Darstellung erweitern und ergänzen.
Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur, sowie ein Recap des Hungertuchpreises.