Weißt du noch was ich dir flüsterte
wie dein brauner leib sich hob und senkte
unterm mond so bleich wie schenkelfleisch
und schwanz bereits auf halbmast schwenkte?
Unser körper hat der nacht gehört
das gesicht dem nordenmorgenhalblicht
Doch das auge in der flaute gleicht
unter Chios‘ hainen jenem falblicht
Und du brennst wenn ich dich sehe
und dein feuer löscht die eisgebackne nacht
Du wirst weinen wenn ich gehe
Wenn ich bleibe aber töte ich dich sacht
Hell wirst du in deiner sonne sein
unter der ich meinen rücken beuge
Hoch am hügel steht dein weißes haus
Die robinie schwört sie sei dein zeuge
Deine hände sind noch kinderweich
meine lippen winteraufgerissen
Ich bin müde von der langen fahrt
Willst du nicht einmal die gründe wissen?
Und du brennst wenn ich dich sehe
und dein feuer löscht die eisgebackne nacht
Du wirst weinen wenn ich gehe
Wenn ich bleibe aber töte ich dich sacht
Laß uns die akaziennacht begehn
Sprich du nicht und zwing nicht mich zu sprechen
Keine sorge das ist schnell getan
Und ich kehr die nadeln mit dem rechen
Ich bin aufgewacht Die stadt liegt kalt
Wer ist tot? und wer ist noch am leben?
Ruhig hebt und senkt sich grauer stein
Doch das morgenrot soll ruhe geben
Und du brennst wenn ich dich sehe
und dein feuer löscht die eisgebackne nacht
Du wirst weinen wenn ich gehe
Wenn ich bleibe aber töte ich dich sacht
***
Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2018
HEL ist bekannt geworden als Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. Diese Gedichte legen eine Stimmung frei, die zwischen Melancholie und Unbeschwertheit, Wehmut und Klarheit wechselt.
Weiterführend →
Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.