WEITERES VON HORSTI SCHMANDHOFF

 

I

Er lebte in kurparkstädten

mit dobermann gattin gehalt

und die eiszeiten hätten

gesorgt daß er langsam erkalt

Hatte sie’s licht ausgemacht

der schatten an seinen wänden

kam über ihn mit schlacht-

messer in Himmlerschen händen

 

Und der SA mann

zeigt auf den juden

Was ist mit Haarmann?

spieltest nicht du den?

Sitzen jetz beide

im gleichen boot

Was ich doch leide –

Fast wird er rot

 

Hab im prozeß den shloime* genannt:

der da hat unsre lade verbrannt –

 

Du aber wirst ein

zweites mal fallen

schildkröte in des

kondor krallen

 

II

Am morgen kam J Controlletto

fragte: brauchste ‘n billett?

und brachte das frische libretto

und ein begräbnisbukett

Gleißende leichen frisch

von den versuchen an linken:

Gefläzt übern schneidetisch:

Würd dir der posten stinken?

 

 

Du bist bestallt den

torf zu bereiten

bleibt so des alten

macht wie vor zeiten

Linke und rechte

beide verschieden

beide nur knechte

wichtig nur wie den

 

falken die flügel zu schneiden sei

daß uns das aas beider seiten sei –

 

Du aber wirst ein

zweites mal fallen

hörst du die

Jericho maulharfen schallen?

 

III

Und er war ohne scham als

er sich den Grünen verdingt

Und die SA nummer? – Damals

wurden die falschen gelinkt

Als er die rede verfaßt

die von den neuen zeiten

haben die ihn gehaßt

gesessen in westlichen breiten

 

Noch mal karriere

in ner partei?

als ob nix wäre

Horsti dabei!

könntet ihr vieles

lernen den vor

kimme des zieles

endlich im chor:

 

Wieder wie einst und ne wiese dazu

Wandervogel so fliege auch du!

 

Du aber wirst ein

zweites mal fallen

es glühn die

Nibelungenhallen

 

 

IV

Wollte schon immer die freiheit

von all dem Stalingrad

wollte schon lange die dreiheit

von rasse natur und staat

Sie kauften opfernatur

da war er der zwischentäter

Bedarf’s einmal stärkerer kur:

rasse und staat – doch später

 

Hetzt seine truppe

gegen ruinen

Stahl in die suppe

schärfer als die minen

Bürgerwehr? tauglich!

spelt* an die ähren!

daß wir ja auch nich

waffenlos wären

 

Stinkt’s in den börsensaal ich mach den bock

Weißestes kalb geht als erstes zum block

 

Du aber wirst ein

zweites mal fallen

fall keiner serbin

in die krallen

 

V

Lymphe dem leib dem gedehnten

selbstmord? lang an der zeit

Orgeln holen den zehnten

schlachthälse pfeifen geleit

Lethe australis mit dir?

laß dich am leichenbaum blicken

Melbourner einwandrerschmier

wird dich inn schlangenberg schicken

 

Häng dich am strick auf

der wird nicht spleißen

Trimm dein genick auf

sauberes reißen

Fliehn wir nach süden

marsch wird zu geest

doch deine rüden

hecheln verwest

 

Geier die fraßen sich über dir fett

machen dem neuen gefreiten das bett

 

Du aber wirst ein

zweites mal fallen

schildkröte in des

kondor krallen

 

 

Opfer standest du selbst an der wand

Hast deine seife Shloime genannt

 

 

 

 

***

Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2018

HEL ist bekannt geworden als Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. Diese Gedichte legen eine Stimmung frei, die zwischen Melancholie und Unbeschwertheit, Wehmut und Klarheit wechselt.

Weiterführend →

Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Ein faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.

Anmerkungen:

shloime = „antisemit. für jude, jidd. für Salomo“

spelt = „eine lautverschiebung zurück für spelz“