Und wir lernten bald
mit dem tageslicht
Geht nicht mit gewalt
Geht auch ohne nicht
Wo unrecht wird zu recht
wird widerstand zur pflicht
Wenn ihr das unrecht brecht
brecht ihr das recht doch nicht
Und wir lernten nicht
über stock und stein
Was gewalt verbricht
hoffnung fährt hinein
Wo unrecht wird zu recht
wird widerstand zur pflicht
Wenn ihr das unrecht brecht
brecht ihr das recht doch nicht
Und sie währt nun schon seit jahren
unsre freie republik
Jeder ort den wir befahren
ist ne freie republik
Wißt es gibt im lande Polen
druckereien gut getarnt
Zensor kann kein schriftstück holen
schneller sind sie schon gewarnt
Wißt ihr freie radios senden
gut verborgen aufgestellt
die kann jeder mit verwenden
wenn der hund uns nicht verbellt
Wißt wir haben in den städten
mit dem pack uns angelegt
In Paris und Prag da hätten
wir die macht bald ausgefegt
Und so währt sie schon seit jahren
unsre freie republik
Jeder ort den wir befahren
ist ne freie republik
Chor und drei einzelstimmen
Sie spielen Startbahn West nach:
Ich bin der Wallmann aus korn und schrot
Wer bei mir kauft kauft guten tod
Besatzer die ihr optimistisch wart
meter für meter geht’s an den start
Der weg ist eben der weg ist nicht hohl
das haben wir alles under control
Knüppel ausm sack und der tisch
ist gedeckt für die bomber frisch
Schlagfertig schlagfertig
betonmischer dreht
schlagfertig schlagfertig
die Startbahn entsteht
Düalügen düalügen
büs daß süch düü
knüppel büügen
Unkraut jäten das sie säten
voller haß
Bahnbesetzer friedenshetzer
CS gas!
Schnauze auf
knüppel hoch
schnauze zu
dialog
Ich bin der Nato aufkaufagent
der jede sicherheitslücke kennt
Die wälder in Germany sind zu dicht
Die panzer sehn ja die angreifer nicht
Und was wenn wir flugzeuge landen wolln
die unsre raketen abladen solln
Erstmal was hingebaut und den profit
nehmen wir in ein paar jahren mit
Schlußtableau, einzelne und chor, sich steigernd
Liebe leut gedenkt des ends
der fortschritt kommt an seine grenz
Wir die lebensdurstig sind
du und ich wir bleiben dahint
Ihr habt’s in Zürich gesehn
wir wern nicht hinter stehn
und der wind wird drehn
ihr habt’s in Zürich gesehn
Ihr habt’s gesehn in Bonn
wir lassen nicht davon
wir sind zu viele schon
ihr habt’s gesehn in Bonn
Wir lassen nicht davon
wir sterben nicht zum lohn
wir sind zu viele schon
sind hunderttausend schon
wern eine million
Wir sind bald all in Bonn
und lassen nicht davon:
Denken wir an wälder
die zu krank sind um zu tragen
denken wir an wälder
die wir plündern die wir schlagen
Denken wir an tiere
und sie fallen mit den kronen
denken wir an tiere
und sie hatten dort zu wohnen
Denken wir an kinder
die statt spielen bauholz schleppen
denken wir an kinder
die das tote wasser scheppen
Ja der mensch hat es schwer mit der erde
doch die erde hat’s schwerer mit ihm
und am schwersten der mensch mit dem menschen
du bist zunge bist zahn oder priem*
Ja die wissenschaft ist kein vergnügen
sondern immer erfüllt sie nen zweck
und die eine nützt bäumen und menschen
und die andre forscht beide hinweg
Ja die herren da reden von fortschritt
doch sie meinen mit fortschritt ihr geld
und was fortschreitet ist die zerstörung
die zerstörung der einzigen welt
Doch was fortschreitet ist auch empörung
und der widerstand all auf der welt
***
Rohlieder I – X von HEL, KUNO 2018
Weiterführend →
Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Ein faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon.
Anmerkungen:
Kantate 3 bearb.; Kantate 5: BROKDORFLIED
zeilen von Brecht verwendet, HEL, Pi, Martina; Siehste, kann ich auch, pseudo Brecht; tut an de zähne weh, wahr?
Dommel = „rohr-, vogelart, hier als Eigenname“
priem = Stück Kautabak