Copy right oder copy left

Es gibt für das eigene Leben kein Copyright, aber es ist leichter, sich mit allerlei missbräuchlichen Aneignungen abzufinden, wenn es irgendwo den eigenen Text gibt, auf den man zeigen kann.

Jan Philipp Reemtsma

Erste Logo-Entwurf von Peter Meilchen

Laut des Online-Lexikons Wikipedia stellt das Copyrightzeichen im Markenrecht ein Symbol zu Kennzeichnung eines bestehenden Schutzes dar, wobei es zwei Varianten davon gibt: ℗ und ©

Das © hebt hierbei den Anspruch an den Urheberrechten der gekennzeichneten Marke hervor. Der Grossbuchstabe „C“ innerhalb des Kreises stammt von dem englischen Begriff Copyright.

Vervorhebenswert: In Kontinentaleuropa ist die Verwendung dieses Zeichens rechtlich irrelevant.

Der Künstler Nils Pooker hat das Richard-Wagner-Porträt des Reiss-Engelhorn-Museums, auf das das Museum Bildrechte geltend macht, verpixelt abgemalt und der Wikimedia-Stiftung geschenkt. Die Wikipedia darf das Gemälde nach eine Klage des Museums nicht abbilden. Im Blog des Marta-Museums begründet Pooker, warum die Monopolisierung einer Reproduktion auf ein rechtefreies Bild durch ein der Öffentlichkeit verpflichtetes Museum ein Skandal für ihn ist:

Die willkürliche Interpretation des Gesetzestextes hat aus meiner Sicht nichts mit dem Werkcharakter der Reproduktion, nichts mit der Funktion des fotografischen Werkes und nichts mit dem beruflichen Selbstverständnis des dokumentierenden Fotografen zu tun, sondern allein mit dem Kontrollverlust über das Bild selbst. Ich sehe die Gefahr einer Wiederkehr historischer Bildverbote, lediglich neu interpretiert dank der Freiräume einer bürgerlichen und aufgeklärten Rechtsauffassung, die geschaffen wurden, um derartige Instrumentalisierungen für immer hinter sich zu lassen.

Man kann trotzdem einiges gegen ein Copyright sagen, meinte jüngst ein melancholisch gestimmter Tim Parks im Blog der New York Review of Books. Zum Beispiel, dass es „bei Autoren eine bourgeoise Lebenseinstellung fördert, wo Schreiben ein Job mit Einkommen ist … Copyright hält den Autor in der Polis, und es ist doch wirklich bemerkenswert, wie selten kreatives Schreiben heute wahrhaft revolutionär ist“.

Und genau deshalb wird das Copyright wohl auch im digitalen Zeitalter überleben, meint Parks: Weil wir am liebsten Bücher lesen, die ohne Copyright nicht geschrieben würden, Harry Potter oder die Millenium-Trilogie.

„Die Forderung nach einem Copyright folgt nicht notwendig aus Überlegungen zu Gerechtigkeit oder Theorien über Eigentum, sondern aus der Vorliebe einer Kultur für bestimmte literarische Formen. Wenn die Menschen nur Gedichte lesen würden – an deren Produktion man Dichter nie hindern kann, selbst wenn man ihnen nichts bezahlt – dann würden die Copyrightgesetze im Nu verschwinden.“

Behaltet eure DVD-Player, ruft Tilman Baumgärtel in der Zeit. Wer Filmklassiker sehen will, kommt ohne nicht aus. Die großen Streamingdienste haben ein winziges Angebot und Klassiker sind praktisch gar nicht darunter. Wer Orson Welles‘ „Citizen Kane“ sehen will oder Francesco Rosis „Wer erschoss Salvatore G.?“ oder John Fords „My Darling Clementine“ ist aufgeschmissen: „Was bei Netflix und Co. nicht zu haben ist, wird schon bald nicht mehr existieren – jedenfalls für eine Generation, die mit Film-Streams aus dem Internet aufwächst. Nischenanbieter wie Mubi, realeyz oder Alleskino haben zwar ein ambitioniertes, aber doch begrenztes Angebot; was das Repertoire und vor allem das Marketing und die technische Infrastruktur betrifft, können sie dem gegenwärtig entstehenden Duopol von Amazon und Netflix jedoch nichts entgegensetzen. Als Alternative bleiben bis auf Weiteres die physischen Medien DVD und Blu-ray, auf denen dann doch noch fast jeder Film und jede Serie veröffentlicht wird.“ (Was Baumgärtel in seinem Artikel nicht erwähnt ist, welche Rolle bei dem schlechten Angebot das Urheberrecht spielt, das zum Teil angeblich noch auf Stummfilmen liegt, die immer wieder aus Youtube entfernt werden.)

Ausgerechnet im Zeitalter der Aufklärung wurde der Begriff des „Geistigen Eigentums“ geprägt, schreibt der Sankt Gallener Informationsrechtler Florent Thouvenin: „Inhaltlich zielt die Lehre vom geistigen Eigentum damals wie heute darauf ab, die Vervielfältigung von Werken – durch aufwendigen Nachdruck ebenso wie durch einfache elektronische Kopie – mithilfe der Analogie von körperlichem und geistigem Eigentum als Diebstahl zu qualifizieren. Die intuitive Überzeugungskraft des Begriffs hat dem geistigen Eigentum wirkungsgeschichtlich einen geradezu überwältigenden Erfolg beschert. Einer näheren Prüfung hält die Lehre allerdings nicht stand.“

Mein Leitstern ist Walter Benjamin, der sich von der Montage und Konstellation von Zitaten nicht nur eine neue Kunstform, den Funken der Erkenntnis, sondern eine Art von Erlösung der Vergangenheit versprach, indem er ihre Tradierbarkeit durch ihre Zitierbarkeit ersetzte – so sehr, dass er an eine Buchpublikation aus lauter Zitaten dachte. Das Subjekt des Autors geht in die Form und Substanz seines Materials ein – was sich die Entsagungsbereitschaft von Herausgebern kategorisch versagt.

„Du schreibst das Leben“, hat Veza Canetti 1948 ihrem Mann Elias geschrieben, „aber wenn Du lebst, verschreibst Du Dich.“ Das eigene Leben ist kein Nachschlagewerk, in dem man nach Belieben herumblättert, kein fertiges Manuskript, das man jederzeit veröffentlichen kann! Veza Canetti nimmt damit das postmoderne Konzept einer Autorschaft vorweg, demzufolge der Schriftsteller nicht mehr zu schreiben hat, sondern sich schreiben läßt.

Als Adept von Johannes Gensfleisch borge ich mir seine beweglichen Metall-Lettern. Nie habe ich etwas Eigenes geschrieben, alles ist compiliert. Ich bin ein melancholischer Schrotthändler: Aus Abfällen zimmere ich meine Ansichten. Alles ist drin, aber nichts passt zusammen. Die Sprache hinkt und klemmt an allen Ecken und Enden. Das ist ein trauriges, aber mein liebstes Spiel. Ein Spiel fast ohne Regeln. Wie bei jedem Spiel ist das einzig Wahre das Spiel selbst.

KUNO zeigt den Zwiespalt auf, in dem sich die Kunst befindet. Sie kommt nicht an der Wirklichkeit vorbei, aber sie kann sie nicht mehr schlicht reproduzieren. In in diesem Onlinemagazin arbeiten wir an der möglichst exakten Rekonstruktion zur Bewahrung des kulturellen Erbes. Die Frage für die Artisten des in 1989 gegründeten Projekts Das Labor lautet nicht, wie das „Neuland“ Internet das Denken verändert, sondern wie das künstlerische Denken das Netz formt.

 

Weiterführend →

Die ausführliche Chronik des Projekts Das Labor lesen sie hier. Diese Ausgrabungsstätte für die Zukunft ist seit 2009 ein Label, die Edition Das Labor. Diese Edition arbeitet ohne Kapital, aber manchmal mit Kapitälchen, sie befindet sich in der Situation des Baron von Münchhausen und muss sich mit samt Pferd am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Eine Übersicht über die in diesem Labor seither realisierten Künstlerbücher, Bücher und Hörbücher finden Sie hier.

 

 

P.S. Die Paris Review stellt ein von Ronald Christ geführtes Gespräch mit Jorge Luis Borges online. Borges erklärt, wann er im Kino weint:

„For example, there are many people who go to the cinema and cry. That has always happened: It has happened to me also. But I have never cried over sob stuff, or the pathetic episodes. But, for example, when I saw the first gangster films of Joseph von Sternberg, I remember that when there was anything epic about them – I mean Chicago gangsters dying bravely – well, I felt that my eyes were full of tears.“